Warum Barrierefreiheit in Innenstädten so wichtig ist – am Beispiel Frankfurt am Main

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Warum Barrierefreiheit in Innenstädten so wichtig ist – am Beispiel Frankfurt am Main

Beitrag von Sophie Heinicke » 28.05.2025, 17:08

Mein Name ist Laura-Maria Strehl. Ich bin 21 Jahre alt und mache derzeit mein Abitur an der Carl-Strehl-Schule in Marburg. Im Oktober beginne ich ein duales Verwaltungsstudium an der Frankfurt University of Applied Sciences sowie bei der Stadt Frankfurt.

Mit Frankfurt bin ich bereits seit zehn Jahren aus privaten Gründen eng verbunden – eine Stadt, die ich sehr ins Herz geschlossen habe. Dennoch möchte ich nicht verschweigen, dass es in Sachen Barrierefreiheit, mit der ich mich seit 2021 intensiv beschäftige, noch an vielen Stellen Verbesserungsbedarf gibt. In diesem Beitrag möchte ich auf die Themen Inklusion und Barrierefreiheit aufmerksam machen und erklären, warum sie in vielerlei Hinsicht so wichtig sind.
Meine Erfahrungen beruhen zum einen auf meiner eigenen Lebensrealität: Ich bin aufgrund meiner Sehbehinderung nahezu blind und täglich mit Barrieren konfrontiert. Zum anderen beziehe ich mich auf zahlreiche Erfahrungsberichte aus dem Ausschuss „Verkehr“ der Frankfurter Behindertenarbeitsgemeinschaft, dem ich seit Anfang 2024 angehöre. Dort werden vielfältige Bedarfe thematisiert – nicht nur im Bereich Sehbehinderung, sondern auch andere Einschränkungen betreffend.

Der Beitrag beschreibt konkrete Situationen und Orte, die für schwerbehinderte Menschen wie mich besondere Herausforderungen darstellen. Diese Situationen stelle ich einzeln dar und schlage jeweils mögliche Lösungen vor, um Barrieren gezielt abzubauen.

Situation 1: Zweiradverkehr
Nicht nur in Frankfurt ist der Zweiradverkehr problematisch. Häufig stehen oder liegen E-Scooter und Fahrräder mitten auf Gehwegen – für blinde Menschen ein erhebliches Unfallrisiko, für Personen im Rollstuhl oft ein unüberwindbares Hindernis. Besonders kritisch ist es, wenn Nutzerinnen und Nutzer von E-Scootern rücksichtslos und mit hoher Geschwindigkeit – beispielsweise am Mainufer – unterwegs sind. Blinde Menschen können herannahende Fahrzeuge nicht rechtzeitig wahrnehmen und ausweichen.

Zudem wird die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit von 5 Kilometern pro Stunde häufig missachtet. Besonders gefährlich wird es, wenn sich – was eigentlich verboten ist – zwei Personen gleichzeitig auf einem E-Scooter befinden. Ich appelliere dringend an die Stadt, Verstöße konsequenter zu kontrollieren und zu sanktionieren – zum Schutz aller Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Radfahrerinnen und Radfahrer.
Auch wenn es sich hier weniger um klassische Barrieren, sondern eher um unachtsames Verhalten handelt: Barrierefreiheit beginnt bei gegenseitiger Rücksichtnahme.

Situation 2: Ampeln und große Kreuzungen
Viele Ampeln in Frankfurt sind akustisch nicht oder nur sehr schwach wahrnehmbar. Das liegt daran, dass ein barrierefreier Umbau oft noch aussteht – ein Prozess, der sich teils über Jahre hinzieht.

Ein besonders kritisches Beispiel ist die Kreuzung am Hauptbahnhof. Sie zählt zu den verkehrsreichsten Orten der Stadt – und ist dennoch nicht barrierefrei gestaltet. Laut Straßenverkehrsamt ist ein Umbau erst im Rahmen der Hauptbahnhofsanierung in den 2040er-Jahren geplant. Blinde Menschen werden hier also für lange Zeit sich selbst überlassen – in einem Umfeld mit hohem Unfallrisiko.
Auch wenn eine Ampel über ein Tonsignal verfügt, ist dieses häufig so leise, dass es nicht zwischen den einzelnen Überwegen unterscheidet. Es braucht eindeutige, unterschiedlich klingende Signaltöne für jede Übergangsrichtung – so wie an der Kreuzung Kurt-Schumacher-Straße. Nur so lässt sich verhindern, dass blinde Personen versehentlich in den fließenden Verkehr geraten.

Situation 3: Aufzüge und Treppen
Für Menschen im Rollstuhl sind funktionierende Aufzüge essenziell – vor allem im öffentlichen Nahverkehr. In Frankfurt sind jedoch viele Aufzüge veraltet oder regelmäßig außer Betrieb. Für Betroffene bedeutet das lange Umwege oder schlimmstenfalls, dass sie ihr Ziel gar nicht erreichen können. Treppensteiger sind oft zu gefährlich, Elektromobile zu schwer, um sie von Dritten getragen zu bekommen.
Auch bei Treppen besteht Verbesserungsbedarf. Geländer sollten durchgängig, stabil und frei von Beschädigungen sein. Jede Stufe sollte visuell kontrastreich markiert sein – mindestens jedoch die erste und letzte. Besonders breite oder steile Treppen, wie am Willy-Brandt-Platz oder an der Hauptwache, müssen besser gesichert werden.

Positiv hervorzuheben ist: Nach einem von mir gemeldeten Unfall wurden die Stufen am Willy-Brandt-Platz inzwischen mit deutlich spürbaren Markierungen versehen. Ein weiteres Geländer würde dennoch die Sicherheit weiter erhöhen.

Situation 4: Öffentlicher Nahverkehr
In U- und Straßenbahnen funktionieren die Ansagen meist zuverlässig. In Bussen jedoch kommt es häufiger zu Problemen – insbesondere bei kurzfristigen Umleitungen. Fahrerinnen und Fahrer sind oft nicht bereit, fehlende Durchsagen manuell zu ersetzen.

Auf weniger frequentierten Linien kommen außerdem gebrauchte Busse aus Münster zum Einsatz, die nicht den barrierefreien Standards in Frankfurt entsprechen. So verfügen sie nur über zwei Türen, was insbesondere für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen problematisch ist. Auch der fehlende visuelle Kontrast (zum Beispiel silberne statt gelber Haltestangen) sowie das Fehlen der Riffelung an Türnähe-Punkten erschweren die Orientierung.

Größeres Problem ist jedoch der schleppende barrierefreie Ausbau der Haltestellen. Momentan würde es über 20 Jahre dauern, bis alle Haltestellen barrierefrei sind – viel zu lange! Barrierefrei bedeutet: ebenerdige Zugänge, kein Höhenunterschied oder Spalt zwischen Bahn und Bahnsteig (wie zum Beispiel am Karmeliterkloster oder an der Münchner Straße).
Ein flächendeckender Ausbau von dynamischen Fahrgastinformationssystemen wäre ebenfalls hilfreich. Diese geben – akustisch und visuell – Liniennummern, Richtungen und Abfahrtszeiten in Echtzeit aus und verbessern die Orientierung deutlich.

Fazit
In Frankfurt ist in Sachen Barrierefreiheit noch viel zu tun. Gleichzeitig ist die Stadt durch ihre überwiegend geradlinigen Straßen und Wege gut zur Orientierung geeignet. Mein größter Wunsch ist ein beschleunigter Ausbau der Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr. Denn Barrierefreiheit bedeutet nicht nur Unabhängigkeit, sondern auch Sicherheit – und dafür lohnt es sich, weiterzukämpfen. Frankfurt zeigt, dass Fortschritt möglich ist – aber auch, dass wir noch lange nicht am Ziel sind.

(Beitrag von Laura-Maria Strehl)

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