Blind auf Indischen Hocktoiletten

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Blind auf Indischen Hocktoiletten

Beitrag von Robbie Sandberg Site Admin » 10.10.2019, 13:12

Wenn man durch Indien reist und nicht gerade in für ein westliches Publikum hochgezogenen Bettenburgen absteigt, kann man nicht immer mit Sitztoiletten rechnen. In vielen Restaurants und Hotels muss man sich den indischen Gepflogenheiten anpassen.
Die Hocktoiletten waren eine Herausforderung für mich. Abgesehen von der Blindheit, hatte ich hier ein körperliches Problem. Ich bin zwar im Allgemeinen nicht ungelenkig, es war mir aber nicht möglich, mich so hin zu hocken, dass die Füße flach aufliegen und die Hinterbacken auf den Fersen ruhen. Dazu gehören gut dehnbare Muskeln und Sehnen. Im Land des Yoga kein Problem, aber für den gemeinen Westeuropäer eine Herausforderung. Ich war also immer versucht auf den Fußballen zu balancieren, das geht aber nur, wenn mindestens eine Wand in der Nähe ist, an der man sich abstützen kann. Glücklicherweise sind die meisten Toiletten in den Restaurants so gebaut, dass man beim Hocken eine Wand erreichen kann.
Wie findet man nun als Blinder das Loch? Zunächst stellt man den Stock in die Ecke, man möchte ihn ja nicht unbedingt eintunken. Dann lokalisiert man mindestens eine Wand und geht daran entlang, indem man die Füße vorsichtig vorschiebt. Meist befindet sich das Loch auf einer erhöhten Ebene, sodass man erst eine Stufe nach oben steigen muss. Der Boden fällt zum Loch hin schwach ab. Links und rechts des Loches befinden sich meistens geriffelte Fliesen, wo die Füße hingehören.
Wohl der Frau, die einen Rock trägt, sowie dem Manne, der einen Lungi trägt. Lungi ist eine Art Wickelrock für Männer. Er ist zum einen vorteilhaft wegen der Hitze, und zum anderen sehr praktisch beim Gang zur Toilette, weil man ihn einfach hochraffen kann bevor man sich hinhockt. Wer Hosen trägt ist da eher angeschissen.
Die Löcher sind meistens rechteckig, so dass die Füße an den beiden langen Seiten des Rechtecks zu stehen kommen. Sie können aber auch rundlich geformt sein. Am besten man stützt sich an einer Wand ab und ertastet mit der Fußspitze den Umriss des Lochs. Dabei findet man dann auch die Riffelfliesen zum Parken der Füße.
Es gibt Ausnahmen, bei denen man nicht eine Stufe hochgehen, sondern auf ein knapp Kniehohes Becken steigen muss. Bitte nicht mit einer niedrigen Sitztoilette verwechseln. Dann saut man sich ein.
An einer der Wände hängt ein kleiner Duschkopf, den man hinter sich in Position bringen muss, um sich zu säubern. Mit Pech steht dort aber nur ein Eimer Wasser, in dem eine Plastiktasse zum Schöpfen schwimmt. Damit gießt man sich das Wasser durch die Ritze. Wer auf Toilettenpapier nicht verzichten möchte, sollte es ständig dabeihaben. Ein Fläschchen mit Desinfektionsmittel kann auch nicht schaden.
Das Hantieren mit dem Mini-Duschkopf will auch geübt sein. Man bringt ihn hinter sich in Position und drückt dann einen Abzug im Griff. Hierbei kommt es auf den richtigen Winkel an. Mir entfuhr ein hohes Gilfen, als mich beim ersten Versuch ein ungeahnt kalter Wasserstrahl von hinten auf die Kronjuwelen traf.
In Varkala brachte mich ein Kellner zur Toilette und rief mir dann über die nur halb hohe Tür Warnungen und Richtungsanweisungen zu, damit ich das Loch finde und nicht hineintrete. Erst bei meinem dritten Versuch ihn davon zu überzeugen, dass ich es schon allein schaffen würde, unterließ er es mir bei der Verrichtung zuzuschauen.
Übrigens sind diese Toiletten meistens recht sauber und stinken nicht. Nur dort, wo besoffene Touristen versuchen das Loch aus dem Stand zu treffen, stinkt es wirklich. Angesichts einer solchen Sauerei fühlt ein Inder sich natürlich darin bestätigt, dass die indische Methode Bedürfnisse zu verrichten die reinlichere ist und muss uns Europäer für Dreckspatzen halten.
Zur Erläuterung: In Indien benutzt man beim oben beschriebenen Prozedere ausschließlich die linke Hand. Fürs Händereichen und Essen dient die Rechte. So wird, zumindest in der Theorie, bakterielle Verunreinigung verhindert. Für Kinder Europas, die diese Trennung nicht gewöhnt sind, ist das aber schwer durchzuhalten und wenn man blind ist, braucht man eh beide Hände zum Tasten. Mit meinem Fläschchen Sterillium habe ich mich da schon besser gefühlt.

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