Thomas der blinde Unternehmer

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Thomas der blinde Unternehmer

Beitrag von Sophie Heinicke » 07.11.2023, 15:02

Mein Name ist Thomas. Ich bin 42 Jahre alt und leite ein Unternehmen mit 14 Mitarbeitern im Be-reich der Softwareentwicklung in Nürnberg. Ich bin an der Zapfen-Stäbchen-Dystrophie erkrankt, einer seltenen Netzhauterkrankung, die im Laufe des Lebens zum Abbau der Netzhaut führt. Ak-tuell verfüge ich noch über 1 Prozent Restsehvermögen.

Gerade die Arbeit als Softwareentwickler ist auch mit Seheinschränkung oder Erblindung gut mach-bar. Bei der Softwareentwicklung kommt es vor allem darauf an, was man im Kopf hat. Kreativität und Freude am Lösen von Problemen sind die Kernkompetenzen, die man mitbringen muss. Alles andere lässt sich mit Hilfsmitteln wie VoiceOver, Jaws, etc. gut lösen. Ich arbeite trotz massiver Se-heinschränkung tatsächlich hauptsächlich mit einer Vergrößerung. Mit dem Mac ist das kein Prob-lem.

Damals wie heute erfahre ich oft die Bewunderung meines Umfelds. Offenbar ist es schwer zu glauben, dass ein Mensch mit einer derartigen Beeinträchtigung, selbständig, möglichst unabhängig und erfolgreich, durchs Leben geht. Obgleich es lieb gemeint ist: Ich mag diese Form der Bewunde-rung nicht. Blind sein bedeutet nicht, unfähig zu sein. Im Gegenteil. Die fortwährende Anstren-gung, der wir ausgesetzt sind, die Schärfung der weiteren Sinne, die Fokussierung auf das Wesent-liche, das alles sind Dinge, die blinde Menschen in die Lage versetzen, Leistungen zu erbringen, die andere Menschen nicht so selbstverständlich erbringen können. Unsere Einschränkung ist natürlich „behindernd“! Sie ist grundsätzlich schlecht, sie verleiht uns aber auch Möglichkeiten, die wir sonst nicht hätten.

Im Alltag gibt es viele Mittel, Defizite abzufedern oder zu kompensieren. Neben den zahlreichen Hilfsmitteln (was würde ich ohne VoiceOver machen), zählen dazu meine Familie und Freunde.
Ich möchte jedem, der da draußen aufgrund seiner Behinderung an seinen Möglichkeiten zweifelt, deutlich sagen: Dafür gibt es keinen Grund. Es ist alles möglich und niemals darf man sich nur durch die negativen Gedanken, die man mit solch einer Behinderung oftmals hegt, in seinen Möglichkei-ten und Zielen einschränken lassen. Nein, es ist nicht leicht. Nein, es macht nicht immer Spaß, aber es lohnt sich!

(Instagram-Beitrag von dbsv_jugendclub, Text von Thomas Zollner, 14.07.2021)

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