Berufe (aus)suchen und finden.

Hier könnt ihr euch zu eurem beruflichen Werdegang austauschen. Ihr findet außerdem Tipps zur Jobsuche, zu Schulen und zum Studium.
Antworten
  • Benutzeravatar
    Felix Högl
  • DBSV Mitarbeiter
  • Beiträge: 22
  • Registriert: 05.06.2019, 10:36

Berufe (aus)suchen und finden.

Beitrag von Felix Högl DBSV Mitarbeiter » 18.08.2020, 11:31

Hallo in die Runde!

Hier entsteht der Thread zum Thema "Berufe (aus)suchen und finden". An dieser Stelle sammeln wir die Seminarinhalte zu den Themen: Bewerbungsgespräche und Assessmentcenter, verschiedene Berufsprofile anderer betroffener Personen, sowie Informationen zum Thema Studium Bildungseinrichtungen und freiwilliges Engagement.

  • Benutzeravatar
    Felix Högl
  • DBSV Mitarbeiter
  • Beiträge: 22
  • Registriert: 05.06.2019, 10:36

Unternehmer, Autor, Coach: Saliya Kahawatte

Beitrag von Felix Högl DBSV Mitarbeiter » 24.08.2020, 12:38

Hi ihr,
Den Anfang macht heute Unternehmer, Autor und Motivationscoach Saliya Kahawatte.
In Vorbereitung auf unseren Termin hat er uns diesen kleinen Text zukommen lassen, der einen kurzen Einblick in seinen beruflichen Werdegang gibt. Alle eure Fragen könnt ihr ihm selbst stellen und zwar am 01.09. um 17 Uhr.
Saliya und ich freuen uns auf euch!

Ein langer Weg!
Etliche Hürden muss Saliya in seinem Leben nehmen. Mit 15 Jahren verliert er den Großteil seines Sehvermögens durch eine schwere Netzhautablösung und ist seither zu 100% schwerbehindert. Getrieben von seinem Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben, gelingt es ihm, trotz seiner hochgradigen Sehbehinderung in der Welt der Sehenden zu bestehen.
Durch bloßes Zuhören schafft er das Abitur auf der Regelschule, absolviert eine Ausbildung zum Hotelfachmann in einem Luxushotel und macht Karriere in der Top-Hotellerie. Jahrelang verschweigt er dabei seine Behinderung und zahlt dafür einen hohen Preis. Nachdenklich erinnert er sich heute an diese Zeit. „Ich habe mich überfordert und lebte am Limit, oft fragte ich mich, wie lange das gut gehen könnte!“.
Einsamkeit, Suchtprobleme und Suizidversuche führen ihn am Ende in die geschlossene Psychiatrie. Am Tiefpunkt seines Lebens, lernt er endlich seine Behinderung anzunehmen und beschließt zukünftig offen mit ihr umzugehen.
Der Weg führt ihn zunächst in ein BFW, wo er mittels einer Spezialsoftware am PC ausgebildet werden soll. Doch Saliya hat andere Pläne, entschlossen wagt er seinen nächsten Schritt und absolviert ein internationales Management-Studium.
Nach dem Erhalt seines Diploms, legt Saliya seine Behinderung in seinen Bewerbungen offen und erhält nur Absagen. In keinem Unternehmen ist Platz für ihn, weder seine Motivation, noch sein Fleiß oder seine Willensstärke werden erkannt. Im Fokus steht immer nur das, was er nicht kann, doch selbst aus den Zurückweisungen schöpft er die treibende Kraft neue Wege zu gehen.
Entschlossen macht Saliya seinen Makel zur Marke und gründet aus Arbeitslosigkeit heraus, ohne Kapital, eine kleine Firma. Dier junge Unternehmer hat sich in den Kopf gesetzt, aus seinem Handicap ein Geschäftskonzept zu entwickeln.
Auf Basis seines feinen Gehörs und seiner Art der Selbstmotivation möchte er als Business Coach für Führungskräfte tätig werden. Parallel hat Saliya den Wunsch sein Leben aufzuschreiben und als Buch zu veröffentlichen.
Die ersten Jahre sind eine totale Katastrophe, niemand möchte sich von einem fast blinden Menschen coachen lasen, fast täglich droht der Konkurs. Auch die Verlage reagieren mit Skepsis und Ablehnung, die Buch-Idee eines untalentierten Autos mit Augenfehler scheint ins Nichts zu laufen.
Die Kämpfernatur lässt sich von den anfänglichen Misserfolgen nicht beirren und arbeitet verbissen weiter. „Ich habe damals keine Fehler gemacht, sondern einfach nur viel Neues gelernt!“, sagt er heute überzeugt über seine Anfänge als Unternehmer.
Nach unzähligen Gesprächen mit deutschsprachigen Verlagen, kommt Saliyas Autobiografie „Mein Blind Date mit dem Leben“ Ende 2009 auf den Buchmarkt und schafft es schnell auf die Bestsellerliste. Der hochgradig sehbehinderte Geschäftsmann ist plötzlich gefragter Gast in vielen Talkshows, endlich geht es in seiner Firma voran.
Der ehrgeizige Unternehmer investiert seine gesamten Gewinne in die Vergrößerung seines Unternehmens und stellt erste Mitarbeiter ein. Da Saliya aufgrund seines Augenfehlers keine Lesungen halten kann, lernt er große Textmengen seiner Autobiografie einfach auswendig, um sie am Ende frei vortragen zu können. Wieder nutzt er die Fähigkeiten, die hinter seiner Behinderung liegen und steht schon bald auf großen Bühnen.
Seine neuentdeckte Kreativität bringt Saliya auf die Idee, weitere Bücher zu schreiben und sich im Bereich der Filmproduktion zu engagieren. Der Geschäftsmann sieht sich zunehmend als Künstler mit hohem Ansprüchen an sein Team und an sich selbst. „Unsere Kunden kaufen bei uns nicht aus Mitleid, sondern weil sie die Qualität unserer Arbeit schätzen!“.
Saliyas Unternehmen ist mittlerweile global tätig und agiert auf insgesamt 12 Geschäftsfeldern. Zum Kundenkreis gehören börsennotierte Konzerne, mittelständische Betriebe sowie Privatpersonen. „Ich führe mein Team inklusiv, wir unterstützen uns gegenseitig und gehen stets geschlossen voran!“, antwortet der Geschäftsmann, als er kürzlich von einem Wirtschaftsmagazin zu seinem Führungsstil befragt wurde. Damit auch andere Menschen diese Form der Führung von Saliya erlernen können, bietet er besondere Workshops zu diesem Thema an.
Mit der Saliya Foundation engagiert er sich sozial und fördert sehbehinderte und blinde Menschen auf den Gebieten Arbeit und Bildung.
Saliyas Erfolgsgeschichte kam im Januar 2017 in die deutschen Kinos und wurde in 40 weitere Länder weltweit verkauft. Selbst Hollywood hat sich den Stoff der „Saliya-Story“ bereits gesichert.

Zur Person
Saliya Kahawatte (Jahrgang 1969) ist erfolgreicher Coach, Berater und Buchautor. Er arbeitet zudem als Key-Note-Speaker und hat mit seiner packenden Lebensgeschichte schon viele Menschen auf seine ganz besondere Art berührt. Der Wahl-Hamburger ist praktizierender Buddhist und in seiner Freizeit begeisterter Sportler im Indoor-Fitness-Bereich.
Zum Kino-Trailer:

Deine Wirkung beim Bewerbungsgespräch

Beitrag von Sophie Heinicke » 27.08.2020, 22:08

Viele haben es sicherlich schon gehört. Schon die ersten Sekunden spielen beim Kennenlernen einer Person eine essenzielle Rolle. Das ist natürlich auch beim Vorstellungsgespräch so. In Bewerbungssituationen spielen unbewusste Wahrnehmungseffekte eine große Rolle. Hierzu gibt es einige interessante psychologische Effekte, sowie Tipps und Tricks zur eigenen Anwendung.
Wer also im Vorstellungsgespräch punkten will, muss nicht nur Fachwissen aufweisen, sondern auch eine gewisse Wirkung haben. Man sollte achtsam mit dem Ungesagten umgehen, also der Körpersprache, der Kleidungswahl, sowie der möglichen Wahrnehmungseffekte. Hier zeigt sich wieder: Wissen ist Macht! Wenn man Kenntnis über die Wahrnehmung und der entsprechenden Effekte hat,
kann man diese immer für sich nutzen.

Der Primär-Effekt
Die erste (positive oder negative) Einschätzung einer Person wird am intensivsten abgespeichert. Dieser Prozess geschieht meist komplett unbewusst. Andere Eigenschaften werden daraufhin nicht mehr wahrgenommen oder gar übersehen.
Beispiel:
Sieht man eine als egoistisch und arrogant bewertete Person, die sich später doch durchweg freundlich zeigt, wird dies eher als Einschleimen oder Scheinheiligkeit bezeichnet. .
Was kann man tun: Schon beim Betreten der Arbeitsstätte geht es los. Lächeln und freundlich sein. Es sollte immer der Vorgesetzte das Gespräch eröffnen. Also seit immer offen, aber nicht zu offensiv.

Der Halo-Effekt („Heiligenschein“)
Durch ein herausstechendes äußerliches Merkmal, wie eine Brille, den Blindenstock oder die Figur bzw. eine dominante Eigenschaft, wie. Freundlichkeit oder Arroganz wird automatisch auf andere Eigenschaften einer Person geschlossen.
Beispiel: Brillenträger werden meist intelligenter eingeschätzt. Einer
Was kann man tun: Findet heraus, für welche Werte das Unternehmen steht und verhalten euch entsprechend. Weiterhin sollte man auf passende Kleidungsstücke achten.

Der Rezenz-Effekt
Neuere, also später eingehende, Informationen bleiben stärker im Gedächtnis verankert.
Beispiel:
Was ein Bewerber am Ende des Vorstellungsgesprächs sagt, wird stärker erinnert, als eine Aussage die irgendwann im Gespräch gefallen ist.
Was kann man tun: Häufig ergibt sich gegen Ende noch einmal die Gelegenheit etwas zu ergänzen. Hier sollte man die Gelegenheit nutzen, um noch einmal kurz und knapp zusammenzufassen, warum man in dem Unternehmen arbeiten möchte und weshalb man dafür der/die Richtige ist. Das ist keine unnötige Wiederholung von Tatsachen, sondern zeigt nur ihr Interesse und Engagement.

Sympathie-Fehler
Wenn man sympathisch erscheint, wird man automatisch besser beurteilt, als Personen, die als unsympathisch empfunden werden. .
Beispiel:
Sympathie macht eine Menge aus. So werden bei Bewerbern die als sympathisch eingeschätzt werden, eher Fehler bzw. Wissenslücken toleriert und entschuldigt.
Was kann man tun: Sympathie entscheidet sich in Sekunden. Hier kann man also schwer etwas beeinflussen. Man sollte einfach höflich und freundlich sein. Weiterhin sollte man darauf achten sein Gegenüber nicht zu unterbrechen. Der Rest ist personenabhängig und schwer zu kontrollieren.

Ähnlichkeits-Fehler
Wenn man sich ähnelt (z.B. Optik, Werdegang, Hobbies), wird diese häufig besser einschätzen.
Beispiel:
Hat der Bewerber an der gleichen Universität wie der potentielle Arbeitgeber studiert, wie man selbst, so wird ihm meist eine höhere Kompetenz zugesprochen.
Was kann man tun: Weiß oder bemerkt man im Laufe des Gesprächs Ähnlichkeiten mit seinen Gesprächspartnern, so kann man an geeigneter Stelle natürlich Bezug darauf nehmen. Wichtig: Nicht übertreiben!

Selektive Wahrnehmung
Meist achtet man ganz unbewusst auf bestimmten Eigenschaft, Leistung oder ein spezielles Merkmal. Andere Eindrücke werden dann größtenteils übersehen.
Beispiel:
Wenn man jemanden als inkompetent einschätzt, wird man eher auf Informationen achten die diesem Eindruck gerecht werden.
Was kann man tun: Es ist immer gut wenn man das Gefühl hat, dass das Gegenüber einen versteht. Vorsicht: Wenn das nicht der Fall ist, sollte man natürlich nie sagen „Sie schätzen mich falsch ein“, sondern eher indirekt darauf hinweisen und andere Eigenschaften oder Leistungen stärker betonen.

Die sich selbst erfüllende Prophezeiung
Wer sich selbst sagt, dass das anstehende Bewerbungsgespräch nur gut werden kann, ist voller positiver Erwartung an sich Selbst und die Situation, was zur Folge hat, dass derjenige dadurch sympathischer wirkt. Sympathie ist ein ausschlaggebender Faktor bei der Entscheidung wer den Job erhält.

Körpersprache in verschiedenen Situationen.
Körperhaltung im Stehen.
Gerade stehen ist manchmal gar nicht so einfach. Hier gibt es einen kleinen aber feinen Trick: Stell dich mit dem Rücken an eine Wand und achte darauf kein Hohlkreuz zu machen. Die Füße sollten gerade und mit dem Hacken an der Wand stehen. Das Gesäß sollte fest an der Wand sein und sodass ein großer Teil deines Rückens die Wand berührt. Es hilft die Bauchmuskeln etwas anzuspannen und den Nacken lang zu machen.
Für einen guten Eindruck sollte man sich dem Gegenüber möglichst frontal zuwenden, sowie einen sicheren Stand haben. Das strahlt Selbstbewusstsein und Sicherheit aus. Hier kann die Schuhwahl der Frau eine Rolle spielen. Die schönsten High Heels haben keinen Effekt, wenn man damit auf wackeligen Beinen steht, geht und im schlimmsten Fall vielleicht noch auf der Nase liegt.

Körperhaltung im Sitzen
Auch wenn man sitzt, sollte der Körper möglichst aufrecht sein. Dazu sollte man möglichst die ganze Sitzfläche des Stuhls nutzen. Hin und her rutschen oder ständiges Beine übereinanderschlagen, zeugt von Nervosität. Arbeitgeber erwarten von Mitarbeitenden, dass sie im Gespräch mit Kunden auch im Sitzen Kompetenz, Interesse sowie Offenheit ausstrahlen und so das Unternehmen entsprechend repräsentieren.
Die Körperhaltung beeinflusst die Atmung und damit auch die Sprache. Auch wenn das Gegenüber dich nicht sehen kann, kann er so hören, wie selbstbewusst du bist.

Kleidung
Ein Mann verhält sich in einem Anzug etwas seriöser und achtet stärker auf sein Benehmen als in einer Jogginghose. Das gleiche gilt für Frauen. Kleider machen Leute. Die Wahl der passenden Kleidung beeinflusst somit nicht nur ihr Gegenüber sondern auch einen Selbst.
Welche Kleidung angemessen ist, variiert natürlich yon Arbeitgeber zu Arbeitgeber.
Schmuck und Make-up gehören ebenfalls zur indirekten Körpersprache. Das Make-up sollte gepflegt und dezent sein. Hier eignen sich insbesondere Nude-Look und No-Colour-Look Make-up. Auch der Schmuck sollte je nach Umfeld eher dezent ausfallen. Meist gilt: Weniger ist mehr.
Ein zu tiefer Ausschnitt und zu kurze Röcke werden oft mit Inkompetenz verknüpft. Man sollte sich immer wohl fühlen, denn das strahlt man damit auch immer aus.

Berufsprofil Übersetzer

Beitrag von Birgit Niggemann » 28.08.2020, 13:45

Hallo zusammen,

nun möchte auch ich euch einen kleinen Überblick zu meinem Berufsprofil geben. Ich bin von Geburt an vollblind und arbeite seit März 2019 als fest angestellte Übersetzerin mit den Fremdsprachen Englisch und Spanisch im Übersetzungsdienst des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) in Bonn. Wie ich dort gelandet bin und welche Vorteile – und auch Hürden – der Übersetzerberuf so mit sich bringen kann, fasse ich euch in diesem Beitrag kurz zusammen. Zunächst aber zu meinem konkreten Arbeitsalltag.

Grundsätzlich besteht die Aufgabe eines Übersetzers im Gegensatz zum Dolmetschen darin, schriftliche Texte von einer Sprache in eine Andere zu übertragen, in meinem Fall aus dem Englischen und Spanischen ins Deutsche und aus dem Deutschen ins Englische. Das ist auch meine Hauptaufgabe im Gesundheitsministerium, wo einem zwar erstaunlich wenige tatsächliche medizinische Fachtexte, dafür aber alles von Ministerschreiben und Reden über Gesetzestexte und Strategiepapieren bis hin zu den aktuellen Corona-Aushängen am Flughafen begebnet.

ZU meiner Arbeit im BMG-Übersetzungsdienst gehören allerdings noch weitere Aufgaben. So sind die Übersetzer auch dafür zuständig, die von ihnen verwendeten Übersetzungen von bestimmten Fachbegriffen nachvollziehbar dokumentiert in einer Datenbank zu hinterlegen (Terminologiearbeit), damit es beispielsweise für Gesetzestitel, aktuelle Schlagworte (wie Alltagsmaske) u. Ä. eindeutige Übersetzungen gibt, die auch zwischen verschiedenen Behörden ausgetauscht werden können. Außerdem sind meine Kollegen und ich dafür verantwortlich, Aufträge, die wir entweder sprachlich nicht abdecken können oder die wir aus Kapazitätsgründen nicht fristgerecht erfüllen könnten, an freiberufliche Übersetzer weiterzugeben, d. h., Angebote einzuholen, Aufträge zu erteilen, Rechnungen zu bearbeiten und das Ganze angemessen zu dokumentieren. Insgesamt also ein relativ vielfältiger Beruf mit Allgemeinbildungspotenzial.

Auch wenn „übersetzer“ tatsächlich keine geschützte Berufsbezeichnung ist, sich also theoretisch jeder, der sich dazu in der Lage sieht, als Übersetzer bezeichnen kann, wird zumindest für eine Festanstellung meist ein abgeschlossenes Master- oder zumindest Bachelorstudium im Übersetzungsbereich vorausgesetzt. Ein solches Studium absolvierte ich am Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) in Germersheim, einer ausgelagerten Fakultät der Uni Mainz, die als reiner Dolmetscher- und Übersetzer-Hotspot zwar relativ klein und familiär ist, aber gleichzeitig eine große Auswahl an Fremdsprachen und Spezialisierungen bietet. Außerdem hatte ich erfahren, dass die Uni bereits mit blinden und sehbehinderten Studierenden zu tun gehabt hatte. Perfekte Voraussetzungen also für einen ziemlich dankbaren, weil textbasierten Studiengang.

Abgesehen von den üblichen Herausforderungen, die man als Blinder oder Sehbehinderter wohl in jedem Studiengang antrifft (spontan ausgeteilte Materialien, Recherche für Hausarbeiten etc.), begegnete mir meine erste kleinere Hürde im Studium im dritten Semester, als die Wahl des Spezialisierungsfaches anstand und ich mich zwischen Recht, Wirtschaft, Technik, Informatik und Medizin entscheiden musste. Meine Wahl fiel schließlich auf das Sachfach Medizin, von dem mir meine Kommilitonen geschlossen abrieten, weil sie selbst bei dem Wust unübersichtlicher Abbildungen, die der Prof. in seinen Abendvorlesungen an die Wand warf, den Überblick verloren und nur schwer mitkamen. Hier zeigte sich jedoch einmal mehr, dass man als Blinder durchaus auch unterschätzt werden kann, und dass vor allem im Hinblick auf die genutzten Informationskanäle in Vorlesungen weniger manchmal mehr ist. Der Medizin-Prof stellte sich nämlich als ziemlich kompetenter Redner heraus, der die wichtigen Infos seiner Grafiken auch immer verbalisierte, sodass ich mich, während alle anderen gegen die massive Reizüberflutung ankämpften, ohne Bedenken auf die Vortragsinhalte konzentrieren konnte und meiner Wunschspezialisierung nichts mehr im Wege stand. Also: Die Einschätzung Anderer ist immer eine prima Grundlage, aber wenn euch etwas interessiert, im Zweifel einfach erst mal selbst testen!

Die größeren Herausforderungen warteten dann auch tatsächlich erst am Ende meines Studiums, als es um den Einstieg in den Beruf ging. Zwar wusste ich schon fast seit meinem Studienbeginn ziemlich genau was ich wollte, nämlich eine Festanstellung als Medizinübersetzerin in einem spezialisierten Übersetzungsbüro, aber leider werden immer weniger Übersetzer fest angestellt und die große Mehrheit von uns arbeitet heutzutage freiberuflich und oft zu Dumpingpreisen mit mehreren Agenturen zusammen. Außerdem werden überall in der Übersetzungsbranche Datenbankprogramme (sog. CAT-Tools) genutzt, mit denen fertige Übersetzungen Satzweise abgespeichert und bei Bedarf wiederverwendet werden können, und die meisten dieser Programme sind nicht oder nur mit hohem Programmieraufwandt für Blinde nutzbar. Wer sollte also eine blinde Berufsanfängerin einstellen, die im Zweifel nicht einmal mit der im Unternehmen genutzten Software umgehen kann?

Die Arbeit als Freiberuflerin hatte ich allerdings schon vorher für mich ausgeschlossen, weil sie ihre ganz eigenen Hürden mit sich bringt. Wie sollte ich z. B. halbwegs zeiteffizient überprüfen, ob das Format einer Übersetzung in allen Punkten mit dem Ausgangstext übereinstimmt, vor allem, wenn es um PDF-Dateien oder gescannte Dokumente ginge? Sollte ich mir dazu eine Arbeitsassistenz einstellen, und wie würde ich die dann beschäftigen, wenn es bei mir mal eine Auftragsflaute gäbe? Und dann noch der ganze Papierkram (Buchführung, Steuererklärungen etc.), und die Aussicht darauf, nie genau zu wissen, was man am Monatsende eigentlich auf dem Konto haben würde. Alles in Allem aber vermutlich keine unlösbaren Probleme, weshalb ich das erste Jahr nach meinem Masterabschluss damit verbrachte, mich sehr halbherzig als Freiberuflerin zu versuchen, mich bei Agenturen und Übersetzungssbüros zu melden, die mir zwar zusagten, mich in ihre Kartei aufzunehmen, von denen ich aber nie Aufträge erhielt, und gleichzeitig weiterhin in allen möglichen Jobbörsen nach einer Festanstellung zu suchen.

Schließlich bewarb ich mich auch beim Gesundheitsministerium. Dort wurde zwar eigentlich ein Übersetzer mit Englisch als Muttersprache gesucht, aber da das nicht explizit so in der Stellenbeschreibung stand, beschloss ich, es trotzdem einfach zu versuchen. Dass dieser Versuch nicht nur erfolgreich war sondern tatsächlich mit einem schließlich unbefristeten Arbeitsvertrag belohnt wurde, verdanke ich vermutlich zum Teil der Tatsache, dass ich mich im öffentlichen Dienst und nicht in der Privatwirtschaft beworben habe. Ich glaube allerdings, dass auch die offene Kommunikation mit den Kollegen (also proaktiv nach möglicherweise problematischen Faktoren wie Software etc. fragen, Probleme ansprechen und Lösungsansätze anbieten) ihren Teil dazu beigetragen hat, dass ich heute zwar nich in meinem ursprünglichen Traumjob, aber in einem tollen Team in einem Beruf arbeite, der diesem Traumjob ziemlich nahe kommt.

Sollte ich jetzt jemanden auf den Übersetzerberuf neugierig gemacht haben, schreibt mich bei weiteren Fragen gerne an oder stöbert in den folgenden Links:

- Beschreibung des Berufsbilds „Übersetzer“ auf der Webseite des Bunds Deutscher Übersetzer (BDÜ): https://bdue.de/der-beruf/uebersetzer
- Webseite des Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft der Uni Mainz: www.fb06.uni-mainz.de
- Englischsprachige internationale Mailingliste für blinde und sehbehinderte Dolmetscher und Übersetzer: http://lists.screenreview.org/listinfo. ... review.org

Antworten