Dieser Artikel könnte Menschen die Erfahrungen mit Ausgrenzung und Mobbing gemacht haben nahe gehen. Hört also beim Lesen in euch hinein und springt notfalls zum nächsten Text.
Dieser Artikel enthält Erfahrungen verschiedener junger Menschen aus ihrer Schulzeit. Aus Gründen des Schutzes bleiben die Personen anonym.
Die Schulzeit ist nicht für jeden schön. Es gibt einige Schülerinnen und Schüler die von ausgrenzenden Situationen erzählen und manche sogar von regelrechtem Mobbing. Hier muss man etwas vorsichtig sein, denn für Mobbing gibt es eine klare Definition.
Mobbing ist ein aggressives Verhalten, das in allen sozialen Kontexten auftreten kann, in den Menschen (Kinder und Erwachsene) regelmäßig zusammenkommen und in den die Opfer ihren Angreifern nicht ohne Weiteres entfliehen können. Dieses trifft besonders häufig in der Arbeitswelt und in Schulen (inkl. Kindergarten; Mobbing am Arbeitsplatz, Mobbing, schulisches) zu. Der Begriff
Mobbing ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Person systematisch und über eine gewisse Zeit den – oft sehr subtilen – aggressiven Handlungen anderer ausgesetzt wird, ohne sich effizient wehren zu können. Während es klar ist, dass Mobbing ein aggressives und absichtliches Verhalten ist, das üblicherweise von mehreren Personen ausgeübt wird, sind die Erscheinungsformen von Mobbing sehr unterschiedlich. Diese Formen können eindeutig und direkt sein, aber auch versteckt, subtil und indirekt. Die häufig verdeckten und undramatischen Erscheinungsformen von Mobbing tragen auch dazu bei, dass Mobbing oft spät entdeckt und vom Umfeld häufig bagatellisiert wird. Auch wenn Mobbing unter Erwachsenen sich in den Erscheinungsformen von Mobbing unter Kindern und Jugendlichen unterscheidet, so ähneln sich Mobbing am Arbeitsplatz und Mobbing in der Schule prinzipiell in den Mechanismen und Prozessen, die zur Aufrechterhaltung der Situation beitragen, und in den schweren Konsequenzen, die für die Opfer entstehen.
So ist Mobbing in beiden Fällen ein Akt der Machtdemonstration, der dadurch aufrechterhalten wird, dass sich das Umfeld passiv verhält und die Opfer in Zustände von Machtlosigkeit und Hoffnungslosigkeit versetzt. Bullying.
Definition des Dorsch Lexikons für Psychologie
„So richtige Mobbingerfahrungen habe ich nicht.“ Das war der erste Satz von A. Die Worte klingen nachdenklich. „Ich war halt immer der Letzte der beim Sport gewählt wurde und sie sind mir auch oft nicht aus dem Weg gegangen als ich gekommen bin.“ Es klingt fast normal als A. mir eine Sprachnachricht mit seinen Erfahrungen schickte. Danach folgte eine längere Pause. „Das ist ja noch harmlos, wenn man sieht oder erzählt bekommt, was anderen Gemobbten so passiert.“ Hat er da recht? Nein, eigentlich nicht. Stellt euch vor, ihr wartet jede Woche auf diese Doppelstunde Sport um nur darauf zu warten, dass die Klasse euch zeigt, dass sie euch am wenigsten wollen. Sollten Lehrer da nicht einschreiten? So lernt kein Kind Spaß am Sport. Dabei könnte es so einfach sein: man könnte auch einfach losen.
Mädchenstreitereien kommen nicht nur in der Schule vor. Sie mag diesen Jungen, ihre Freundin weiß nichts davon und setzt sich in der Bahn neben ihn. Boom! Allein dieses Szenario kann reichen um die Mädchen eines ganzen Jahrgangs aufzuwiegeln. C. hat es am eigenen Leib zu spüren bekommen.
Wie trifft man eine sehbehinderte Schülerin aber am besten? Na mit Volleybällen, direkt ins Gesicht – immer und immer wieder – Woche für Woche. Na und, das kann ja vorkommen. Beim Sport verletzt man sich halt. Dann steht Bodenturnen an. Durch ihren eingeschränkt funktionierenden Gleichgewichtssinn benötigt sie Hilfe beim Handstand. „Das konnten sie dann nicht halten und danach haben sie einfach vergessen festzuhalten.“ „Und unser Lehrer sagte nichts, denn das könne ja passieren. Aber passieren solche Sachen wirklich jede Stunde?“
Klar ärgert oder neckt man sich mal. Wo hört das aber auf? Hört es auf, wenn Schüler im Klassenraum sitzen, jemandem auf die Schulter tippen, die Person mit eingeschränktem Blickfeld sich umdreht und ihr die stinkenden Sportsocken unter die Nase gehalten werden? Ist es noch Spaß Dinge zu verstecken und dann lachend zu rufen: „Komm, wir spielen jetzt blinde Kuh“? Die Leute denen das passiert ist würden wohl eher zu einem Nein tendieren.
Auch dem letzten müsste klar sein, dass wenn man jemandem ein Bein beim Treppenlaufen stellt, dass das ins Auge gehen kann. Das ist dann auch kein Spaß mehr. So hat sich M. öfter mal das Knie angehauen, einfach weil die Stolperfalle übersehen wurde. Natürlich passiert das auch voll sehenden Menschen, mit Blindheit und Sehbehinderung hat man aber kaum eine Chance auszuweichen. Irgendwann merkt man es vielleicht, wann und wer etwas gegen einen plant, aber auch dieses ständige Warten auf die nächste Falle macht erstens paranoid und strengt zweitens auch an.
Gerade diese ständigen Sticheleien können einem dem Tag erschweren. Sie können einem den kompletten Spaß an der Schulzeit nehmen. In manchen Fällen bleibt es dann auch nicht beim Psychoterror. „Wenn man es nicht sieht, war es wohl nicht da, sagte sie und schon war mein Stift weg.“ Das war einer der wenigen Momente wo D. es auch wirklich ins Gesicht bekommen hat. „Irgendwann zweifelt man auch an sich. Vielleicht hatte ich die Sachen ja doch irgendwo anders verloren oder liegengelassen.“ So wurde halt jedes Jahr eine neue Federmappe, mit neuen Stiften, Schere und Geodreieck gekauft.
„Einmal war ich dann auf dem Weg nach Hause. Meine Klassenkameradin kam von hinten, riss mir die Mütze vom Kopf und warf sie einfach weg. Ich wusste nicht was ich tun sollte, denn ich habe sie einfach nicht gefunden. So bin ich dann traurig Heim gelaufen und habe meiner Mutter gesagt, ich hätte sie verloren.“ Das passierte wohl nicht nur einmal.
Sollte man so als Lehrer sein?
„Und dann gibt es die Lehrer die genau wissen, wie sie die Materialien aufzuarbeiten haben und machen es doch nicht“, so erzählt uns A. noch. Auch Lehrer sind Menschen, können also Dinge vergessen. Es ist auch sicher nicht leicht Lehrer zu sein. Es gehört schließlich mehr dazu als nur vor einer Klasse zu stehen und etwas zu erzählen. Dinge speziell aufzubereiten erfordert Wissen darüber, wie es funktioniert, die Zeit dazu, aber auch den Willen es umzusetzen. Wo es sicher bei den meisten an Punkt 1 und 2 scheitert, gibt es auch einige Lehrpersonen die sich vollkommen weigern für ihre Schüler ihren Unterricht anzupassen.
„Als ich meine Mathelehrerin bat, dass was sie an die Tafel schrieb vielleicht mitzusprechen, sagte sie mir: Wenn du das nicht lesen kannst, dann musst du halt auf eine Sonderschule.“ S. war gerade frisch betroffen und wollte auf ihrer Regelschule doch nur noch ihr Abitur hinter sich bringen. „Ich hatte sogar eine Schulassistenz.“ Manche Lehrer waren offen und boten sofort Hilfe an, ein paar wenige wollten S. aber loswerden. Dafür gäbe es wohl „Sonderschulen“.
„Mein Politiklehrer begrüßte mich in jeder Stunde mit den Worten: „Lies das mal vom Beamer vor. Ach ja, kannst du ja nicht.“ Danach lachte er laut auf. Diese Worte kamen von einem erwachsenen Mann. „Heute weiß ich, dass dies ein armseliges Verhalten war und für seine Charakterschwäche steht. Damals tat es mir einfach weh und ich probierte nur nicht zu weinen.“
Die dritte im Bunde war wohl die Spanischlehrerin. „Sie warf mich einfach aus dem Kurs, da ich die schwache, viel zu klein gedruckte Kopie nicht lesen konnte. Der Grund: Arbeitsverweigerung.“
H. hatte in der neunten Klasse, wie wohl viele, schulischen Schwimmunterricht. Sie hat einen Sehrest, der mit einer Brille sogar noch recht gut ist. Ohne fühlt sich H. aber selbsternannt eher wie ein Maulwurf. Auch Chlorwasser vertragen ihre Augen weniger gut, trotz allem wurde sie von ihrem Schwimmlehrer zum Tauchen mit offenen Augen gezwungen. „Als es dann ums Ringetauchen ging, konnte ich diese aber trotzdem nicht sehen ohne Brille.“ Der Tipp ihres Lehrers war übrigens sich Kontaktlinsen zuzulegen.
Sie ging mit ihrer Mutter zum Augenarzt. Die dortige Ärztin war schockiert und schrieb ihr eine Entschuldigung bzw. Befreiung für das Tauchen. „Das interessierte ihn aber nicht. Er schrie mich an und sagte er gäbe mir eine 6. Das hat er dann aber scheinbar doch nicht. Seitdem darf ich aber immer etwas länger schwimmen als die anderen. Fair finde ich das nicht. Ich kann doch nichts dafür.“
Sie haben es versucht
„Vielleicht sollte ich das mal mit Außenstehenden thematisieren, also Leuten die zwar Anteil an den Situationen hatten, aber nicht ich sind. (…) Auch bei mir haben sie das mit dem Mobbing probiert, aber ich hatte nicht den Charakter mich mobben zu lassen.“ Man hört wie T. probiert seine Worte sorgfältig zu wählen. So folgt sofort: „Das ist vielleicht eine schwierige Aussage. Jeder kann wahrscheinlich gemobbt werden, wenn jemand es nur hart genug probiert.“
„Ich glaube dadurch, dass ich auf keiner Blindenschule war, sondern mich regulär beschult habe, ist die Situation wohl so, dass man immer eine Art Minderheit darstellt und mit Ausgrenzung zu kämpfen hat.“ T. erzählt, wenn jemand probiert hat ihn zu „mobben“, dann hätte er schnell reagiert und das auch mit Gewalt.
Wir möchten hier übrigens keine Art von Gewalt gutheißen, geschweige euch dazu raten!
„Dann war aber auch schnell Ruhe.“ T. ist nicht die einzige Person die solche Erfahrungen geschildert hat. Wir haben weiter oben ja die Situation mit dem Beine stellen auf und vor Treppen geschildert. Eines Tages wurde die Person von einem Freund abgeholt, der dies sehr wohl gesehen hat. Der Freund wurde sauer und schubste die Leute, die immer ein Bein gestellt haben, selbst von der Treppe – mehrfach, bei verschiedenen Situationen. „Danach haben sie es sich nicht mehr getraut.“
Im Falle von T. sorgte seine Reaktion dafür, dass er sich in der Grundschule mit den „großen Mobbern“ sogar anfreundete. „Ich habe ihnen aufgezeigt wo ihre Grenzen sind und habe sie später von solchen Sachen abgehalten.“
Kopf hoch
Kommt euch das bekannt vor? Wir könnten hier nun eine Menge schreiben. Wer Ausgrenzung erlebt hat, weiß aber, jeder Spruch der jetzt folgt, ist in der Situation völlig verschenkt. Es tut einfach weh, da man oft nicht weiß, wieso das mit einem gemacht wird. Man fühlt sich allein, da nicht selten eine ganze Gruppe auf den Zug aufspringt. Alle lachen und vielleicht lacht man sogar mit aus der reinen Hoffnung, dass es dann aufhört. Man schweigt oder wird laut. Man weint oder schlägt zurück. Manchmal verletzt man andere genauso, wie man es selbst wurde. Nur damit man dazu gehört.
Jede Situation ist individuell und so kann man kaum sagen, welcher Weg der richtige ist. Nur aufgeben, aufgeben sollte nie die Lösung sein.
Ihr seid nicht allein. Es gibt Menschen die schätzen und lieben euch für das was ihr seid. Umgebt euch mit Menschen die euch gut tun und springt vielleicht über euren Schatten. Zeigt den Menschen wie es euch geht. Zeigt eure Grenzen und den Menschen die sich so verletzend zu euch verhalten, somit auch ihre.
Schulschmerz - Ausgrenzung und Mobbinh
- Sophie Heinicke
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- Registriert: 04.09.2019, 14:12