Die Nacht der Opas: wie feiert man Halloween in der Ukraine?

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Die Nacht der Opas: wie feiert man Halloween in der Ukraine?

Beitrag von Julia Mostowa » 31.10.2022, 12:33

Halloween kam in den 90er Jahren in die Ukraine und wurde sofort von Teenagern gemocht. Doch konservative Eltern können sich mit diesem importierten Fest noch nicht abfinden. Nach der russischen Besatzung wollen viele Ukrainer*innen ihre alten Traditionen wiederbeleben und lehnen alles fremde ab. Also, wie feiert man Halloween in der Ukraine?
Die Legende über die Königin des Todes
In der Religion der slawischen Stämme, die auf dem Territorium der Ukraine lebten, existierte das Böse nicht. In ihrem Weltbild sind alle Geschehnisse notwendig für eine Harmonie in der Natur. Eine hoch geehrte Gottheit war Maara (Morzhana/Morena/Morana) — die Verkörperung des Todes und der Wiedergeburt in der Nachwelt.
Das ist eine sehr schöne, schlanke Frau mit schneeweißer Haut und schwarzen Haaren. Sie trägt nur feine weiße Garnkleider. Maara wohnt in einem Haus jenseits des Johannisbeerenflusses, über den die Blutbeerenbrücke führt. Ein dreiköpfiger Drache bewacht diese Brücke.
Ihre Zeit beginnt Ende Oktober. Wenn Maara kommt, stirbt die Natur und die ganze Welt taucht in die Dunkelheit ein.
Maara hat ungewöhnliche Hobbys. Sie mag Albträume für Menschen heraufbeschwören. Manchmal spaziert die Göttin nachts zwischen den Häusern und trägt ihren Kopf in den Händen. Dann ruft sie Namen. Wer antwortet, den wird Maara in die Nachwelt mitnehmen.
Zusammen mit der todbringenden Göttin kommen 13 ihrer Töchter. Sie alle sind Verkörperungen der Krankheiten (Die meisten sind Grippe- und Erkältungsymptome).
Vor Maara und ihren Verwandten kann der Brownie schützen. Doch dafür braucht er wirklich viel Kraft. Um den Brownie immer in guter Form zu halten, muß man ihm regelmäßig Milch und Süßigkeiten hinstellen.
Maara geht um bis zum Frühling, bis sie alt wird und stirbt. Und so geht es jedes Jahr…
Brot, Teufel und außerweltliche Gäste
Bis jetzt folgt man in einigen Regionen der Ukraine der alten Tradition von Halloween. Dort nennt man dieses Fest "die Nacht der Opas".
Am 31. Oktober deckt man einen Tisch mit besonderen Delikatessen. Man kocht Weizenbrei mit Honig und backt 3 Brotlaibe: einen für vergessene Ahnen, einen für bekannte und einen für Ahnen, die eines unnatürlichen Todes starben. Auf ein Fensterbrett muß man Wasser und Tücher stellen. Geister wollen immer sauber sein. Im Fenster soll eine Kerze leuchten, damit tote Verwandte den richtigen Weg im Dunkeln finden. Aber mit verwandten Leichen können auch böse Geister ins Haus kommen! Um ungebetenen Gästen den Weg zu versperren, muß man Knoblauch- und Zwiebelstücke vor die Schwelle streuen. Auch eine Kerze in geschnitzten Gemüse setzt man an die Kreuzung, um einen bösen Geist zu verwirren.
In dieser Nacht können alle Interessierten einen Vertrag mit dem Teufel unterschreiben.
Festpolitik
Die obenbeschriebenen Legenden und Traditionen sind nicht sehr bekannt in der Ukraine. Aber an Popularität gewinnen Gebräuche der Weles-Nacht.
In der slawischen Religion gibt es den Gott Weles. Er ist der Patron des Viehs, der Wolken und Seelen. Am 31. Oktober feiert man die Weles-Nacht mit verschiedenen Weissagungen. Was sehr wichtig ist, sich selbst und die eigene Wohnung in Ordnung zu bringen. Diese ungewöhnliche Tradition wurde 2019 in der Ukraine wiederbelebt. Das Problem ist, dass Historiker und Ethnographen nichts über die Weles-Nacht wissen. Wie sich herausstellte, kam dieses Pseudovolksfest aus Russland.
Der Autor dieser historischen Fälschung ist der russische Neuheide Ilia Tscherkasow, auch bekannt als Wahrsager Weleslaw. Sein Buch „Weles“, in dem er über eine mystische Weles-Nacht berichtet, erschien im Jahre 2003. Sehr schnell wurde dieses Buch populär untedr russischen Neoheiden. Die Weles-Nacht von Ilia Tscherkasow brachten führende Medien in die Ukraine. Gut möglich, dass dieser historische Fake absichtlich in der ukrainischen Gesellschaft verbreitet wurde. Russlands Vorliebe für die Umschreibung der Geschichte ist seit langem bekannt. All dies ist erforderlich, um Mythen über brüderliche Völker und ureigene russische Länder zu schaffen.

Auf jeden Fall, typisch europäische Karnevale, Umzüge und Halloween-Partys erfreuen sich immer größerer Beliebtheit in der Ukraine. Unter den Teilnehmenden kann man schon nicht nur Teenager, sondern auch ältere Menschen treffen.

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