Vereinsleben ist langweilig? Na von wegen! Gerade junge Leute fragen immer: muss ich denn Mitglied in einem der DBSV-Vereine sein? Was bringt mir das denn? Auch ich habe mir diese Fragen gestellt. Damals habe ich mich auch eher zu den Sehbehinderten dazugezählt und wollte nicht in einen „Blindenverein“. Meine Vorstellung war, dass wenn ich da bin alle nur darüber sprechen, was nicht geht, wie schlimm das Leben ist und wie anders man im Vergleich zu den anderen ist. Gerade der Langstock versetzte mich in Panik, denn dann hätten ja alle gesehen, dass ich anders bin. Anders zu sein, war damals auch noch eine schlimme Sache. Heute sehe ich das, auch durch die Vereinsarbeit, aber vor allem durch die tollen Menschen hier, nicht mehr so.
Ich möchte ehrlich sein, ich war auch schon bei Stammtischen, da saßen einige frustrierte Leute, die sich anscheinend selbst abgeschrieben hatten. Zum Glück bin ich aber noch einmal hingegangen. Selbsthilfe ist nicht traurig und der letzte Weg, sondern kann richtig Spaß machen. Anders ist nicht immer auffällig und selbst wenn es auffällig wird, kann das für richtig spaßige Momente sorgen.
Die Reaktionen der Außenwelt können ziemlich anstrengend sein. Man trifft überall auf der Welt auf ignorante, unaufmerksame oder auch verständnislose Menschen. Das kann schmerzen, aber auch etwas bringen – manchmal auch Geld.
So erzählt unser Sozialreferent: „Bei einer Internationalen Jugendbegegnung war ein sehender Kollege mit einer Gruppe sehbehinderter und blinder Teilnehmender unterwegs. Eine Radfahrerin hielt an und fragte: „Betreuen sie diese Leute hier?“ Der Kollege antwortete: „Nicht wirklich betreuen, aber sozusagen ja.“ Da gab die Frau ihm 50 €. Die konnten wir gut für unser Treffen gebrauchen.“
Solche Situationen sind keine Einzelfälle. Auch ein anderer Kollege berichtete einmal, dass als er mit seiner damaligen Freundin im Theater war, eine Frau auf ihn zukam. Sie drückte ihm 10 € in die Hand und lobte ihn noch, dass mehr Leute etwas mit Behinderten machen sollten.
Die Leute fühlten sich sicher gut nach diesen Spenden und ihrem Lob. Das kann aber auch nach hinten losgehen. Nach einem Jugendseminar fuhren ein Großteil der Teilnehmenden von Hannover nach Berlin. Der Zug war voll und so saßen wir in kleinen Grüppchen über ein Abteil verteilt. Nach einer Weile tippte mich eine Dame von hinten an. Sie lächelte und fing sofort an zu erzählen, dass sie gerade auch eine Ausbildung zur Assistentin für Menschen mit Behinderung macht. In dieser durfte sie schon erfahren, wie es ist im Rollstuhl, ohne Hör- und ohne Sehvermögen durch die Stadt zu laufen. Sie machte mir Komplimente, dass ich so schön auf alle aufpasste – obwohl wir nur zusammensaßen und redeten. Sie sprach auch laut aber vor allem über die anderen Teilnehmenden, den man im Gegensatz zu mir wohl eher die Sehbehinderung ansah. Mein Stock war in meiner Tasche. Nachdem sie mit ihrer Rede fertig war, dankte ich ihr, packte meinen pinken Stock aus und sagte nur, dass niemand auf diese Herrschaften aufpassen müsste. Ich erzählte ihr lächelnd, dass nicht jeder hilfsbedürftig ist geschweige denn so aussieht. Das war ihr unangenehm, aber so hat sie wohl eine neue Lektion im Umgang mit Behinderungen gelernt. Es geht um das Miteinander und nicht um das über- oder gegeneinander. Wir konnten darüber auf jeden Fall lachen.
Das Miteinander ist auch das Schönste bei allen Verbandsaktionen. Bei unseren Jugendseminaren saßen wir immer bis tief in die Nacht zusammen. Hier entstanden die kuriosesten Gespräche und Ideen. Wir überlegten wie wir unsere Jugendarbeit auflockern könnten. Wir sprachen darüber, dass wir unbedingt ein Maskottchen bräuchten, wie unseren Alternativtext Papageien den wir nur liebevoll Papa-Braille nennen. Dann sprachen wir über Merch, den wir eigentlich auch dringend für unsere Social-Media-Gewinnspiele bräuchten. Die Ideen reichten von Shirts bis hin zu Kondomen. Die Shirts hatten wir ja schon einmal auf dem Louis Braille Festival in Leipzig. Diese gab es in zwei Farben für alle die dort mitgewirkt hatten. Danach haben uns viele Leute gefragt ob man solche T-Shirts auch irgendwo kaufen kann. Leider noch nicht, aber wer weiß was die Zukunft bringt.
Das Festival in Leipzig war allgemein eine spannende Erfahrung. Ich war beeindruckt, wie die Bewohnerinnen und Bewohner Leipzigs auf uns vorbereitet wurden. Es erschienen Aufklärungsartikel in den Zeitungen und so hatte ich (und auch andere Teilnehmende) einige positive Begegnungen in der Stadt. Die Messe fand außerdem direkt am Leipziger Zoo statt, sodass die Besucherinnen und Besucher auch den schönen Zoo erleben konnten. Ich war damals viel mit unserem bayrischen Jugendvertreter und einer Kamera unterwegs. Es sind lustige Aufnahmen entstanden in denen ich mich bei jeder Aktivität schön zum Obst gemacht habe. Das werde ich auch dieses Jahr wieder tun. Ich sage nur: Escape Room. Wenn ihr es also nicht zum Festival geschafft habt, könnt ihr auf dem Instagram-Account des DBSV Jugendclubs sehen, wie die Stuttgarter Messe so aussah.
Ich und viele Vereinsmenschen könnten euch sicher noch viele Geschichten erzählen. Wie bin ich mitten in der Nacht an die Handynummer des blinden Comedian Timur Turga gekommen? Wieso war die bekannte Influencerin Diana zur Löwen bei uns im Büro? Wieso haben wir als DBSV Jugend beschlossen den ersten Insta-Account der Verbandsfamilie zu erstellen, schließlich ist das doch eine Bilderplattform? Warum verteilten wir gelbe und rote Karten an Falschparker? Und wer kam auf die Idee Mützen für Straßenpoller zu stricken? Fortsetzung folgt.
Habt ihr auch Vereinsgeschichten, die euch ein lächeln auf die Lippen zaubern? Wenn ja, schreibt sie mir gern unter s.heinicke@dbsv.org
(Artikel von Sophie Heinicke aus der Mai-Brücke 2024)
Vereinsarbeit – kreativ, spaßig und definitiv nie langweilig
- Sophie Heinicke
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Kreative Vereinsarbeit – Part 2
Wie versprochen, folgen nun einige weitere kreative Aktionen und Momente der Vereinsarbeit. In der letzten Ausgabe erzählte uns unser Sozialreferent Reiner von ein paar seiner Highlights. Dieses Mal sprechen wir über die Top-Aktionen aus Sicht unseres Pressesprechers Volker Lenk.
Volker ist schon eine kleine Ewigkeit Teil der Verbandsfamilie. Er war Teil so vieler schöner Momente und geplanter Momente und Aktionen, sodass es sicher schwer war, ein Best-off zusammenzustellen.
„Außer Pollermützen und „Blinde gehen baden“ fand ich noch die gelben Karten, den Animationsfilm zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, die Filme von „Video für alle“ und den Low-Vision Song Contest bemerkenswert. Die gelben Karten und die Pollermützen sind gute Beispiele, dass auch auf Landesebene coole Sachen entstehen, denn sie wurden in Berlin bzw. in Hamburg erfunden und zuerst eingesetzt.“
Das war jetzt viel auf einmal… schauen wir uns die Aktionen im Einzelnen an.
Blinde gehen baden – in der Spree vor dem Reichstagsgebäude
Lang, lang ist es her. 2016 führte der DBSV im Rahmen während des parlamentarischen Verfahrens zum Bundesteilhabegesetz aus Protest gegen den vorliegenden Gesetzentwurf diese kreative Aktion durch.
Der eingereichte Entwurf war nicht akzeptabel. Dieser hätte vielen behinderten Menschen Verschlechterungen gebracht. Insbesondere blinde und sehbehinderte Menschen hätten zu den Verlierern gehört. Was der DBSV genau gefordert und kritisiert hat, könnt ihr auf der Webseite nachlesen.
Bildlicher können wir Forderungen eigentlich nicht verpacken. Wenn dieses Gesetz kommt, gehen die Blinden baden … und genau das haben sie getan. 30 blinde und sehbehinderte Menschen stiegen mit Begleitern direkt gegenüber vom Reichstagsgebäude in die Spree und ließen im Wasser ein Schild mit der Aufschrift "Teilhabe" untergehen – beobachtet von zahlreichen Kamerateams und Fotografen. Das Bild der demonstrierenden Spree-Schwimmer hat es dann unter anderem auf die Titelseite der "Berliner Morgenpost", in den Politik-Teil der "Süddeutschen Zeitung" und in die Tagesthemen geschafft.
Respekt und um ehrlich zu sein, bin ich etwas traurig, dass ich hier noch nicht Teil des Verbandes war. Ich wäre mitgegangen und ihr?
Mützen für Straßenpoller
Zum Sehbehindertentag 2021 gab es eine wahren Strickhype. Mit einer originellen Aktion machte der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband darauf aufmerksam, dass eine kontrastreiche Gestaltung von Pollern vor Unfällen schützt.
Auf Gehwegen in ganz Deutschland waren viele Passanten verwundert. Poller, die normalerweise grau und damit schwer zu erkennen sind, trugen mit einem Mal leuchtend rot-weiß geringelte Mützen. Viele Mitglieder unserer Landesvereine haben sich damals beteiligt und fleißig Pollermützen gehäkelt und gestrickt.
Aber warum? Häufig passieren Unfälle, weil Hindernisse sich nicht kontrastreich von ihrem Umfeld abheben. Graue Poller auf Gehwegen werden dann zur Gefahr – insbesondere für Menschen mit Seheinschränkung.
Die Aktion funktionierte nur, da sich so viele Mitglieder aus mehr als 90 Orten beteiligt haben. Der Wollhersteller Schachenmayr unterstützte die Sache ebenfalls tatkräftig.
Rote und gelbe Karten für Falschparker
Die Idee zu der folgenden Aktion entstand in Berlin im ABSV. Hier dachte man sich: Kreuz und quer geht nicht mehr! E-Roller aus dem Weg!
Man erlebt es überall in Deutschland: E-Roller, die im Weg stehen. Sie stellen eine ernstzunehmende Unfallgefahr für blinde und sehbehinderte Fußgängerinnen und Fußgänger dar. Aber nicht nur uns belastet die Rollersituation. Eltern mit Kinderwägen, Leute mit Rollator oder Rollstuhl, allgemein geheingeschränkte Personen haben es durch diese Verkehrsmittel schwer, ihre Wege komplikationslos zu meistern.
Wäre es nicht schön, wenn die Dinger nur auf ausgewiesenen und abgegrenzten Abstellflächen abgestellt werden könnten? Ein Anfang wäre es ja schon, wenn sie nicht mitten auf dem Gehweg stehen oder liegen würden.
Aus diesem Grund haben wir gelbe und rote Karten für Falschparker verteilt. Diese haben auch die Vereine aus anderen Bundesländern bestellt und so wunderten sich wohl viele, woher die gelben und roten Anhänger an ihren Fahrzeugen kamen.
Uns ist klar, es hat nicht immer die richtigen erwischt. Die Leute, die die Mietroller so blöd abgestellt haben, werden sicher nicht oft zurückgekommen sein, um sich die Anhänger näher anzusehen. Die Aktion brachte aber Aufmerksamkeit. Als wir die Karten verteilten, kamen wir mit vielen Leuten ins Gespräch, die darüber noch nie nachgedacht hatten und versprachen, es in Zukunft besser zu machen.
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wurde 2021 verabschiedet. Es bezieht sich in erster Linie auf digitale Dienstleistungen und Produkte und setzt eine europäische Richtlinie um, den European Accessibility Act (EAA). Im Entwurf des Gesetzes wurden erhebliche Schwächen deutlich. Der DBSV veröffentlichte daraufhin einen kurzen, unterhaltsamen Animationsfilm über den Entwurf für das Gesetz und dessen Schwächen. Absolut sehenswert. So kann man wichtige Themen auch bunt und kreativ aufarbeiten.
Video für Alle
Das Projekt „Video für alle“ des DBSV erarbeitet, wie kurze Online-Videos mit wenig Aufwand für blinde und sehbehinderte Menschen zugänglicher werden können.
Eine anschauliche Animation, die aktuelle Informationen zusammenfasst, ein gezeichnetes Erklärvideo, das präzise und klar Hintergründe vermittelt, und zwischendurch eine lustige Tierpanne, um auf andere Gedanken zu kommen: Während der Corona-Pandemie wurde besonders deutlich, dass unterhaltsame Inhalte, aber auch wichtige Infos verstärkt in Form von Videos über die sozialen Medien kommuniziert werden.
Vieles davon ist jedoch nicht barrierefrei. Es werden zum Beispiel Videos veröffentlicht, die nur Infografiken mit eingeblendetem Text zeigen und auf deren Tonspur nur Musik zu hören ist. Blinden und sehbehinderten Menschen bleiben diese Infos so verborgen.
Das Projekt „Video für alle“ erarbeitet, wie kurze Online-Videos mit wenig Aufwand für blinde und sehbehinderte Menschen zugänglicher werden können. In Zusammenarbeit mit einer Fokusgruppe aus blinden und sehbehinderten Nutzerinnen und Nutzern, blinden, sehbehinderten und sehenden Audiodeskriptions-Expertinnen und -Experten sowie Video-Produzierenden werden leicht umzusetzende Empfehlungen für einen besseren Zugang zu kurzen Online-Videos entwickelt.
Low-Vision-Song-Contest
Die Idee zum Low-Vision-Song-Contest schlug ein, wie eine Bombe! Was kann man hierzu sagen außer WOW!
Beim Contest konnten und können sich blinde und sehbehinderte Künstlerinnen und Künstler mit ihrer Musik beweisen. Es war schon alles dabei: von klassischer, über Jazz-, Techno-, Pop-, Rock- bis hin zur Rapmusik. Und wir suchen natürlich nicht nur in Deutschland. Der Song-Contest ist mittlerweile international.
Musik verbindet. Wir vernetzen uns und natürlich wächst unsere Selbsthilfefamilie dadurch nur noch weiter und enger zusammen.
Und natürlich profitieren unsere Artists auch vom Wettbewerb. Unsere Herzensgewinner des letzten Low-Vision-Song-Contests, Das Rockytrio, konnten nach dem Gewinn des zweiten Platzes einige Auftritte einsacken. Sie spielten zuletzt auf dem Louis-Braille-Festival in Stuttgart und waren eigentlich das Highlight des Samstagabends. Das haben einige so gesehen, denn es drängelten sich ziemlich viele um die dortige kleine Outdoor-Bühne. Wir sind so gespannt, wo sie in ein paar Jahren stehen. Das Talent für etwas Großes hätten sie auf jeden Fall.
Es gibt noch so viel mehr
Es gibt so viele kreative Aktionen und kuriose Geschichten die wir über das Leben in unseren Vereinen erzählen könnten. Das tun wir auch. Seid also gespannt!
(Artikel aus der Juni-Brücke; Highlights von Volker Lenk, Artikel von Sophie Heinicke; Infos von dbsv.org)
Volker ist schon eine kleine Ewigkeit Teil der Verbandsfamilie. Er war Teil so vieler schöner Momente und geplanter Momente und Aktionen, sodass es sicher schwer war, ein Best-off zusammenzustellen.
„Außer Pollermützen und „Blinde gehen baden“ fand ich noch die gelben Karten, den Animationsfilm zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, die Filme von „Video für alle“ und den Low-Vision Song Contest bemerkenswert. Die gelben Karten und die Pollermützen sind gute Beispiele, dass auch auf Landesebene coole Sachen entstehen, denn sie wurden in Berlin bzw. in Hamburg erfunden und zuerst eingesetzt.“
Das war jetzt viel auf einmal… schauen wir uns die Aktionen im Einzelnen an.
Blinde gehen baden – in der Spree vor dem Reichstagsgebäude
Lang, lang ist es her. 2016 führte der DBSV im Rahmen während des parlamentarischen Verfahrens zum Bundesteilhabegesetz aus Protest gegen den vorliegenden Gesetzentwurf diese kreative Aktion durch.
Der eingereichte Entwurf war nicht akzeptabel. Dieser hätte vielen behinderten Menschen Verschlechterungen gebracht. Insbesondere blinde und sehbehinderte Menschen hätten zu den Verlierern gehört. Was der DBSV genau gefordert und kritisiert hat, könnt ihr auf der Webseite nachlesen.
Bildlicher können wir Forderungen eigentlich nicht verpacken. Wenn dieses Gesetz kommt, gehen die Blinden baden … und genau das haben sie getan. 30 blinde und sehbehinderte Menschen stiegen mit Begleitern direkt gegenüber vom Reichstagsgebäude in die Spree und ließen im Wasser ein Schild mit der Aufschrift "Teilhabe" untergehen – beobachtet von zahlreichen Kamerateams und Fotografen. Das Bild der demonstrierenden Spree-Schwimmer hat es dann unter anderem auf die Titelseite der "Berliner Morgenpost", in den Politik-Teil der "Süddeutschen Zeitung" und in die Tagesthemen geschafft.
Respekt und um ehrlich zu sein, bin ich etwas traurig, dass ich hier noch nicht Teil des Verbandes war. Ich wäre mitgegangen und ihr?
Mützen für Straßenpoller
Zum Sehbehindertentag 2021 gab es eine wahren Strickhype. Mit einer originellen Aktion machte der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband darauf aufmerksam, dass eine kontrastreiche Gestaltung von Pollern vor Unfällen schützt.
Auf Gehwegen in ganz Deutschland waren viele Passanten verwundert. Poller, die normalerweise grau und damit schwer zu erkennen sind, trugen mit einem Mal leuchtend rot-weiß geringelte Mützen. Viele Mitglieder unserer Landesvereine haben sich damals beteiligt und fleißig Pollermützen gehäkelt und gestrickt.
Aber warum? Häufig passieren Unfälle, weil Hindernisse sich nicht kontrastreich von ihrem Umfeld abheben. Graue Poller auf Gehwegen werden dann zur Gefahr – insbesondere für Menschen mit Seheinschränkung.
Die Aktion funktionierte nur, da sich so viele Mitglieder aus mehr als 90 Orten beteiligt haben. Der Wollhersteller Schachenmayr unterstützte die Sache ebenfalls tatkräftig.
Rote und gelbe Karten für Falschparker
Die Idee zu der folgenden Aktion entstand in Berlin im ABSV. Hier dachte man sich: Kreuz und quer geht nicht mehr! E-Roller aus dem Weg!
Man erlebt es überall in Deutschland: E-Roller, die im Weg stehen. Sie stellen eine ernstzunehmende Unfallgefahr für blinde und sehbehinderte Fußgängerinnen und Fußgänger dar. Aber nicht nur uns belastet die Rollersituation. Eltern mit Kinderwägen, Leute mit Rollator oder Rollstuhl, allgemein geheingeschränkte Personen haben es durch diese Verkehrsmittel schwer, ihre Wege komplikationslos zu meistern.
Wäre es nicht schön, wenn die Dinger nur auf ausgewiesenen und abgegrenzten Abstellflächen abgestellt werden könnten? Ein Anfang wäre es ja schon, wenn sie nicht mitten auf dem Gehweg stehen oder liegen würden.
Aus diesem Grund haben wir gelbe und rote Karten für Falschparker verteilt. Diese haben auch die Vereine aus anderen Bundesländern bestellt und so wunderten sich wohl viele, woher die gelben und roten Anhänger an ihren Fahrzeugen kamen.
Uns ist klar, es hat nicht immer die richtigen erwischt. Die Leute, die die Mietroller so blöd abgestellt haben, werden sicher nicht oft zurückgekommen sein, um sich die Anhänger näher anzusehen. Die Aktion brachte aber Aufmerksamkeit. Als wir die Karten verteilten, kamen wir mit vielen Leuten ins Gespräch, die darüber noch nie nachgedacht hatten und versprachen, es in Zukunft besser zu machen.
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wurde 2021 verabschiedet. Es bezieht sich in erster Linie auf digitale Dienstleistungen und Produkte und setzt eine europäische Richtlinie um, den European Accessibility Act (EAA). Im Entwurf des Gesetzes wurden erhebliche Schwächen deutlich. Der DBSV veröffentlichte daraufhin einen kurzen, unterhaltsamen Animationsfilm über den Entwurf für das Gesetz und dessen Schwächen. Absolut sehenswert. So kann man wichtige Themen auch bunt und kreativ aufarbeiten.
Video für Alle
Das Projekt „Video für alle“ des DBSV erarbeitet, wie kurze Online-Videos mit wenig Aufwand für blinde und sehbehinderte Menschen zugänglicher werden können.
Eine anschauliche Animation, die aktuelle Informationen zusammenfasst, ein gezeichnetes Erklärvideo, das präzise und klar Hintergründe vermittelt, und zwischendurch eine lustige Tierpanne, um auf andere Gedanken zu kommen: Während der Corona-Pandemie wurde besonders deutlich, dass unterhaltsame Inhalte, aber auch wichtige Infos verstärkt in Form von Videos über die sozialen Medien kommuniziert werden.
Vieles davon ist jedoch nicht barrierefrei. Es werden zum Beispiel Videos veröffentlicht, die nur Infografiken mit eingeblendetem Text zeigen und auf deren Tonspur nur Musik zu hören ist. Blinden und sehbehinderten Menschen bleiben diese Infos so verborgen.
Das Projekt „Video für alle“ erarbeitet, wie kurze Online-Videos mit wenig Aufwand für blinde und sehbehinderte Menschen zugänglicher werden können. In Zusammenarbeit mit einer Fokusgruppe aus blinden und sehbehinderten Nutzerinnen und Nutzern, blinden, sehbehinderten und sehenden Audiodeskriptions-Expertinnen und -Experten sowie Video-Produzierenden werden leicht umzusetzende Empfehlungen für einen besseren Zugang zu kurzen Online-Videos entwickelt.
Low-Vision-Song-Contest
Die Idee zum Low-Vision-Song-Contest schlug ein, wie eine Bombe! Was kann man hierzu sagen außer WOW!
Beim Contest konnten und können sich blinde und sehbehinderte Künstlerinnen und Künstler mit ihrer Musik beweisen. Es war schon alles dabei: von klassischer, über Jazz-, Techno-, Pop-, Rock- bis hin zur Rapmusik. Und wir suchen natürlich nicht nur in Deutschland. Der Song-Contest ist mittlerweile international.
Musik verbindet. Wir vernetzen uns und natürlich wächst unsere Selbsthilfefamilie dadurch nur noch weiter und enger zusammen.
Und natürlich profitieren unsere Artists auch vom Wettbewerb. Unsere Herzensgewinner des letzten Low-Vision-Song-Contests, Das Rockytrio, konnten nach dem Gewinn des zweiten Platzes einige Auftritte einsacken. Sie spielten zuletzt auf dem Louis-Braille-Festival in Stuttgart und waren eigentlich das Highlight des Samstagabends. Das haben einige so gesehen, denn es drängelten sich ziemlich viele um die dortige kleine Outdoor-Bühne. Wir sind so gespannt, wo sie in ein paar Jahren stehen. Das Talent für etwas Großes hätten sie auf jeden Fall.
Es gibt noch so viel mehr
Es gibt so viele kreative Aktionen und kuriose Geschichten die wir über das Leben in unseren Vereinen erzählen könnten. Das tun wir auch. Seid also gespannt!
(Artikel aus der Juni-Brücke; Highlights von Volker Lenk, Artikel von Sophie Heinicke; Infos von dbsv.org)
- Sophie Heinicke
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Kreative Vereinsarbeit – das hätte ich nie erwartet
Was haben der Rapper Punch Arogunz, der Comedian Timur Turga, die Influencerin Diana zur Löwen, die Serie Löwenzahn und der aufstrebende TikToker und Lehrer Herr Reff gemeinsam? Sie haben mir meine Top 5 der überraschendsten und kuriosesten Erlebnisse beschert.
Punch Arogunz gefällt mein Foto
Fangen wir an mit dem Rap-Artist Punch Arogunz. Ich bin schon seit meiner Jugend und den Battlerap-Zeiten des VBT und JBB-Fan seiner Musik. Das ist jetzt auch schon über 12 Jahre her... Seitdem hat er viele Songs und Alben produziert, von denen ich auch viele in meiner Playlist habe. Eines Abends wollte ich noch einen motivierenden Beitrag für unseren Insta-Account machen und habe die passende Musik zu einem Bild gesucht. Da spielte meine Musikbox den Track „Allein“. Hier sang er:
„Manchmal habe ich das Gefühl die Welt ist nicht im Gleichgewicht, als würde etwas wollen, dass es mir meine Beine bricht. Mir laufen Tränen über mein Gesicht, aber wer stark sein will, der zeigt es nicht (…) Und wenn das Leben dich durch sowas auch zur Seite kickt, kann ich dir trotzdem sagen, dass du nicht alleine bist. Ganz einfach, weil du nicht alleine bist, glaub mir, dass du nicht alleine bist. In dieser Welt wirst du getestet, ob du einknickst. Wie viel du tragen kannst, bevor die Stütze einbricht. Du wirst immer wieder krank und auch gepeinigt und fragst dich, was für diese Freiheit wohl der Preis ist. Du fragst mich und das ist mir peinlich, denn ich weiß nicht, wieso dich jeder Stein trifft. Ich weiß nur, dass du akzeptieren musst, dass die Zeit dich heilen kann, wenn du bereit bist.“
Gerade wenn man frisch von einer Behinderung betroffen ist, fühlt es sich an, als ob man in ein ganz tiefes Loch fällt. Man fühlt sich allein und unverstanden. Da kann es helfen, sich mit Menschen auszutauschen, die das auch kennen. Seine Worte haben ganz gut gepasst und der Beitrag kam auch gut an. Und nicht nur das: Er selbst scheint sich den Beitrag auch angesehen zu haben, denn er ist von der Seite des DBSV-Jugendclubs auf meine private Seite gegangen und hat zwei meiner Bilder geliked. Das habe ich mir natürlich sogar abgescreenshottet.
Nachts um Zwei, passieren doch auch gute Dinge
Manche Dinge sind so merkwürdig, dass sie vielleicht nur sympathisch erscheinen können. Über den Comedian Timur Turga haben wir ja schon einige Male gesprochen. Er war vor Kurzem erst im Fernsehen und natürlich auf unserem Festival in Stuttgart. Ich denke, ich muss es nicht betonen, aber auch von ihm bin ich ein Fan und das habe ich damals beim Verbandstag des DBSV auch so kommuniziert. Verbandstag heißt ja eigentlich über die Zukunft unserer Selbsthilfe zu reden, sich zu verknüpfen und zukunftsschaffend zu arbeiten. Ab einer gewissen Uhrzeit wird es ja aber auch etwas lockerer und so saß ich an einem der Abende mit ein paar Herren aus Bayern draußen. Wir redeten über vergangene Veranstaltungen, die gut gelaufen sind, und so kam Timur ins Spiel. Ich schwärmte ein wenig über seine Videos auf YouTube und sagte, dass ich bei seinem Auftritt gern dabei gewesen wäre. Da lachte der Herr gegenüber von mir und fragte: „Na, willst du Timurs Nummer denn haben?“ Ich war sprachlos und sagte nur, dass er Timur vielleicht vorab fragen sollte. Das tat er und Timur gab sein Okay. So schrieb ich ihm kurze Zeit später: „Hey, hier ist Sophie. Ich wollte dir nur schreiben, damit du fairerweise auch meine Nummer hast.“ Es war halb 3 morgens und er antwortete mir super freundlich. Seither haben wir uns zwei Mal persönlich gesehen und auch länger gequatscht. Ich finde das schon amüsant: Ich kenne einen hauptberuflichen Comedian und dann noch so einen Netten.
Wer ist Diana zur Löwen?
Ach, sie hat nur 1,2 Millionen Follower auf Instagram. Eine Influencerin, wie du und ich. Nein, Spaß beiseite. Diana ist ein Multitalent und hat den Luxus hauptberuflich über Themen zu sprechen, die ihr wichtig sind. Das können Sport- und Beauty-Tipps sein, Aufklärungsvideos über Finanzen oder auch Beiträge, die zeigen sollen, dass du gut bist, wie du bist.
Eines Tages kam unser Pressesprecher zu mir und fragte mich, ob ich nicht ein paar Beiträge mit ihr machen wollen würde. Es ging um das Thema Alternativtexte. Da ich sie nicht kannte, musste ich sie erst einmal googeln und stimmte dann zu. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber sie war einfach so nett. Wir unterhielten uns und sie beichtete mir, dass sie noch nie etwas von dieser Funktion gehört hatte. Ich erklärte es ihr erst und dann noch einmal vor der Kamera. Zuletzt zeigte ich ihr auf meinem Handy und meinem Profil meine Alternativtexte. Was ich nicht bedachte, war, dass ihre Community mit einem Mal auch auf meinem Profil war. Mit einem Mal hatte mein kleiner Account mit seinen 500 Followern mehrere 10.000 Aufrufe. Ich hatte viele Nachrichten im Postfach von Menschen, die sich bedankten und versprachen daran zu denken. Diese Flut an Positivität war überwältigend und eine schöne Erfahrung. Seit diesem Tag sind wir übrigens auch miteinander verknüpft, also wir folgen uns gegenseitig. Sie schaut sogar meine Storys an. Ergo: Ich würde es immer wieder tun, vor allem mit so einer netten Person.
Licht, Kamera, Action!
Wie oft war mir nicht klar, in welche Situation ich gerade hineinschlittere. Als ich über den Berliner Verein die Anfrage für eine Beratung eines Fernsehteams bekam, war ich etwas verblüfft. So ging es mir übrigens auch vor allen anderen Presseterminen. Meist wusste ich nicht so ganz, was auf mich zukam. Es ging um die Kinderserie „Löwenzahn“. Sie wollten eine Folge zu einer blinden Cellistin drehen, die Zeugin eines Verbrechens wird. Um es authentisch zu gestalten, war unter anderem dann ich da. Wer die Serie kennt, weiß, dass es ja aber auch einige kleine, aufklärende Einspieler gibt und für die durfte ich sogar selbst vor die Kamera. Das Drehen der Einspieler, aber auch die Stimmung am Filmset, waren eine klasse Erfahrung. Die Schauspielerin der blinden Cellistin war super interessiert und der Regisseur nicht nur oberflächlich bereit, unsere Vorschläge anzunehmen. Unserer Meinung nach haben sie es klasse umgesetzt und im Nachhinein dafür verdienterweise noch eine Auszeichnung erhalten. Da mussten wir uns auch etwas auf die Schulter klopfen. Die Folge heißt übrigens: „Blindsein – Der unsichtbare Diebstahl“.
Die Welt ist nicht verloren
Die letzte kuriose Situation ist erst ein paar Tage her. Ich bin ehrlich, ich saß im Badezimmer und habe meine Kommentare auf TikTok gelesen und musste prompt so laut lachen, dass mein Partner sich vergewissern kam, ob alles in Ordnung sei.
Zum Kontext: Ich mache auch privat Aufklärungsvideos für TikTok. Ich möchte mit meinen begrenzten Möglichkeiten etwas Licht in die dunklen Algorithmen bringen. So spreche ich zwar auch über Dinge, die mir passiert sind, die traurig oder störend sind, aber immer verbunden mit konkreten Handlungsalternativen oder dem Aufruf, ein Teil einer schöneren Welt zu sein. Das scheint die Plattform gemerkt zu haben, denn seit einiger Zeit bekomme ich nur noch engagierte Menschen aus dem Tierschutz oder anderen sozialen Einrichtungen angezeigt. So auch Herrn Reff Lehrer. Falls ihr ihn nicht kennt, solltet ihr mal nach ihm suchen. Er hat TikTok und Instagram. Er setzt sich für seine Kinder ein und nutzt seine Stimme, um für die Jugendlichen ein bisschen Sichtbarkeit zu schaffen. Er erklärt, dass nicht jeder Schüler es leicht hat. Wenn eine Schülerin zu spät kommt, heißt es nicht zwangsläufig, dass sie uninteressiert ist. Er sensibilisiert Pädagogen, Eltern und Schüler. Er spricht über Themen wie Beleidigungen und scheint bei den Kindern wirklich etwas zu bewirken. Vielleicht auch, weil er unkonventionelle Wege geht. Wenn er Flaschen in der Schule findet, bringt er sie weg und das Geld kommt in die Klassenkasse. Genauso macht er das mit dem Geld, welches er durch seine Streams einnimmt. Er sucht Kooperationen mit anderen Firmen, um Kleidung für seine Jungs und Mädels zu bekommen, die sie sich sonst nie leisten könnten. Er hat einen Aufruf gestartet, um für eine Schülerin eine Perücke zu finden, da ihr die Haare ausfallen und sie aufgrund dessen gemobbt wird. Er engagiert sich einfach für seine Schülerinnen und Schüler und hat somit in kurzer Zeit schon über 180.000 Follower gewonnen. Er schenkt mir mit jedem Video ein Lächeln und so habe ich auf einen seiner Beiträge reagiert. Meine Reichweite ist nicht groß, aber er hat es trotzdem gesehen und reagiert. Er schrieb: „Vielen Dank für deine schönen Worte. Ich finde es toll, was du machst und wenn du willst, machen wir mal etwas zusammen.“
Jeder kann etwas bewirken: man kann Menschen im Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten helfen, es gibt viele Ehrenämter. Manchmal reicht es aber schon, ein Lächeln zu schenken. Das sollten wir alle viel öfter tun, gerade in einer so aufgewühlten Zeit.
(Artikel von Sophie Heinicke aus der Juli-Brücke 2024)
Punch Arogunz gefällt mein Foto
Fangen wir an mit dem Rap-Artist Punch Arogunz. Ich bin schon seit meiner Jugend und den Battlerap-Zeiten des VBT und JBB-Fan seiner Musik. Das ist jetzt auch schon über 12 Jahre her... Seitdem hat er viele Songs und Alben produziert, von denen ich auch viele in meiner Playlist habe. Eines Abends wollte ich noch einen motivierenden Beitrag für unseren Insta-Account machen und habe die passende Musik zu einem Bild gesucht. Da spielte meine Musikbox den Track „Allein“. Hier sang er:
„Manchmal habe ich das Gefühl die Welt ist nicht im Gleichgewicht, als würde etwas wollen, dass es mir meine Beine bricht. Mir laufen Tränen über mein Gesicht, aber wer stark sein will, der zeigt es nicht (…) Und wenn das Leben dich durch sowas auch zur Seite kickt, kann ich dir trotzdem sagen, dass du nicht alleine bist. Ganz einfach, weil du nicht alleine bist, glaub mir, dass du nicht alleine bist. In dieser Welt wirst du getestet, ob du einknickst. Wie viel du tragen kannst, bevor die Stütze einbricht. Du wirst immer wieder krank und auch gepeinigt und fragst dich, was für diese Freiheit wohl der Preis ist. Du fragst mich und das ist mir peinlich, denn ich weiß nicht, wieso dich jeder Stein trifft. Ich weiß nur, dass du akzeptieren musst, dass die Zeit dich heilen kann, wenn du bereit bist.“
Gerade wenn man frisch von einer Behinderung betroffen ist, fühlt es sich an, als ob man in ein ganz tiefes Loch fällt. Man fühlt sich allein und unverstanden. Da kann es helfen, sich mit Menschen auszutauschen, die das auch kennen. Seine Worte haben ganz gut gepasst und der Beitrag kam auch gut an. Und nicht nur das: Er selbst scheint sich den Beitrag auch angesehen zu haben, denn er ist von der Seite des DBSV-Jugendclubs auf meine private Seite gegangen und hat zwei meiner Bilder geliked. Das habe ich mir natürlich sogar abgescreenshottet.
Nachts um Zwei, passieren doch auch gute Dinge
Manche Dinge sind so merkwürdig, dass sie vielleicht nur sympathisch erscheinen können. Über den Comedian Timur Turga haben wir ja schon einige Male gesprochen. Er war vor Kurzem erst im Fernsehen und natürlich auf unserem Festival in Stuttgart. Ich denke, ich muss es nicht betonen, aber auch von ihm bin ich ein Fan und das habe ich damals beim Verbandstag des DBSV auch so kommuniziert. Verbandstag heißt ja eigentlich über die Zukunft unserer Selbsthilfe zu reden, sich zu verknüpfen und zukunftsschaffend zu arbeiten. Ab einer gewissen Uhrzeit wird es ja aber auch etwas lockerer und so saß ich an einem der Abende mit ein paar Herren aus Bayern draußen. Wir redeten über vergangene Veranstaltungen, die gut gelaufen sind, und so kam Timur ins Spiel. Ich schwärmte ein wenig über seine Videos auf YouTube und sagte, dass ich bei seinem Auftritt gern dabei gewesen wäre. Da lachte der Herr gegenüber von mir und fragte: „Na, willst du Timurs Nummer denn haben?“ Ich war sprachlos und sagte nur, dass er Timur vielleicht vorab fragen sollte. Das tat er und Timur gab sein Okay. So schrieb ich ihm kurze Zeit später: „Hey, hier ist Sophie. Ich wollte dir nur schreiben, damit du fairerweise auch meine Nummer hast.“ Es war halb 3 morgens und er antwortete mir super freundlich. Seither haben wir uns zwei Mal persönlich gesehen und auch länger gequatscht. Ich finde das schon amüsant: Ich kenne einen hauptberuflichen Comedian und dann noch so einen Netten.
Wer ist Diana zur Löwen?
Ach, sie hat nur 1,2 Millionen Follower auf Instagram. Eine Influencerin, wie du und ich. Nein, Spaß beiseite. Diana ist ein Multitalent und hat den Luxus hauptberuflich über Themen zu sprechen, die ihr wichtig sind. Das können Sport- und Beauty-Tipps sein, Aufklärungsvideos über Finanzen oder auch Beiträge, die zeigen sollen, dass du gut bist, wie du bist.
Eines Tages kam unser Pressesprecher zu mir und fragte mich, ob ich nicht ein paar Beiträge mit ihr machen wollen würde. Es ging um das Thema Alternativtexte. Da ich sie nicht kannte, musste ich sie erst einmal googeln und stimmte dann zu. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber sie war einfach so nett. Wir unterhielten uns und sie beichtete mir, dass sie noch nie etwas von dieser Funktion gehört hatte. Ich erklärte es ihr erst und dann noch einmal vor der Kamera. Zuletzt zeigte ich ihr auf meinem Handy und meinem Profil meine Alternativtexte. Was ich nicht bedachte, war, dass ihre Community mit einem Mal auch auf meinem Profil war. Mit einem Mal hatte mein kleiner Account mit seinen 500 Followern mehrere 10.000 Aufrufe. Ich hatte viele Nachrichten im Postfach von Menschen, die sich bedankten und versprachen daran zu denken. Diese Flut an Positivität war überwältigend und eine schöne Erfahrung. Seit diesem Tag sind wir übrigens auch miteinander verknüpft, also wir folgen uns gegenseitig. Sie schaut sogar meine Storys an. Ergo: Ich würde es immer wieder tun, vor allem mit so einer netten Person.
Licht, Kamera, Action!
Wie oft war mir nicht klar, in welche Situation ich gerade hineinschlittere. Als ich über den Berliner Verein die Anfrage für eine Beratung eines Fernsehteams bekam, war ich etwas verblüfft. So ging es mir übrigens auch vor allen anderen Presseterminen. Meist wusste ich nicht so ganz, was auf mich zukam. Es ging um die Kinderserie „Löwenzahn“. Sie wollten eine Folge zu einer blinden Cellistin drehen, die Zeugin eines Verbrechens wird. Um es authentisch zu gestalten, war unter anderem dann ich da. Wer die Serie kennt, weiß, dass es ja aber auch einige kleine, aufklärende Einspieler gibt und für die durfte ich sogar selbst vor die Kamera. Das Drehen der Einspieler, aber auch die Stimmung am Filmset, waren eine klasse Erfahrung. Die Schauspielerin der blinden Cellistin war super interessiert und der Regisseur nicht nur oberflächlich bereit, unsere Vorschläge anzunehmen. Unserer Meinung nach haben sie es klasse umgesetzt und im Nachhinein dafür verdienterweise noch eine Auszeichnung erhalten. Da mussten wir uns auch etwas auf die Schulter klopfen. Die Folge heißt übrigens: „Blindsein – Der unsichtbare Diebstahl“.
Die Welt ist nicht verloren
Die letzte kuriose Situation ist erst ein paar Tage her. Ich bin ehrlich, ich saß im Badezimmer und habe meine Kommentare auf TikTok gelesen und musste prompt so laut lachen, dass mein Partner sich vergewissern kam, ob alles in Ordnung sei.
Zum Kontext: Ich mache auch privat Aufklärungsvideos für TikTok. Ich möchte mit meinen begrenzten Möglichkeiten etwas Licht in die dunklen Algorithmen bringen. So spreche ich zwar auch über Dinge, die mir passiert sind, die traurig oder störend sind, aber immer verbunden mit konkreten Handlungsalternativen oder dem Aufruf, ein Teil einer schöneren Welt zu sein. Das scheint die Plattform gemerkt zu haben, denn seit einiger Zeit bekomme ich nur noch engagierte Menschen aus dem Tierschutz oder anderen sozialen Einrichtungen angezeigt. So auch Herrn Reff Lehrer. Falls ihr ihn nicht kennt, solltet ihr mal nach ihm suchen. Er hat TikTok und Instagram. Er setzt sich für seine Kinder ein und nutzt seine Stimme, um für die Jugendlichen ein bisschen Sichtbarkeit zu schaffen. Er erklärt, dass nicht jeder Schüler es leicht hat. Wenn eine Schülerin zu spät kommt, heißt es nicht zwangsläufig, dass sie uninteressiert ist. Er sensibilisiert Pädagogen, Eltern und Schüler. Er spricht über Themen wie Beleidigungen und scheint bei den Kindern wirklich etwas zu bewirken. Vielleicht auch, weil er unkonventionelle Wege geht. Wenn er Flaschen in der Schule findet, bringt er sie weg und das Geld kommt in die Klassenkasse. Genauso macht er das mit dem Geld, welches er durch seine Streams einnimmt. Er sucht Kooperationen mit anderen Firmen, um Kleidung für seine Jungs und Mädels zu bekommen, die sie sich sonst nie leisten könnten. Er hat einen Aufruf gestartet, um für eine Schülerin eine Perücke zu finden, da ihr die Haare ausfallen und sie aufgrund dessen gemobbt wird. Er engagiert sich einfach für seine Schülerinnen und Schüler und hat somit in kurzer Zeit schon über 180.000 Follower gewonnen. Er schenkt mir mit jedem Video ein Lächeln und so habe ich auf einen seiner Beiträge reagiert. Meine Reichweite ist nicht groß, aber er hat es trotzdem gesehen und reagiert. Er schrieb: „Vielen Dank für deine schönen Worte. Ich finde es toll, was du machst und wenn du willst, machen wir mal etwas zusammen.“
Jeder kann etwas bewirken: man kann Menschen im Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten helfen, es gibt viele Ehrenämter. Manchmal reicht es aber schon, ein Lächeln zu schenken. Das sollten wir alle viel öfter tun, gerade in einer so aufgewühlten Zeit.
(Artikel von Sophie Heinicke aus der Juli-Brücke 2024)