Es sind drei kleine Worte: Ich bin sehbehindert bzw. blind. Obwohl es nur wenige Wörter sind, sind sie doch manchmal schwer in ein Gespräch einzubauen.
In unserer Community-Gruppe zum Thema Dating und Partnerschaft kam letztens eine kleine Frage auf, unzwar: „Schreibt ihr eure Seheinschränkung in euer Online-Dating-Profil oder nicht? Und wenn nicht, wie und wann sagt ihr es dann?“ Heutzutage ist es völlig normal Leute im Internet kennenzulernen, sowohl Freunde als auch eine neue Liebe. Mit einer Seheinschränkung kann einem so etwas natürlich auch ganz gelegen kommen. Viele von uns werden es kennen. Wenn man im Reallife eine Person kennenlernt, z.B. in der Bahn, dann wird man schnell mit Fragen zu der eigenen Behinderung gelöchert. Wie macht man denn das? Wie läuft man, wenn man nicht sieht wohin? Und so weiter und so fort… Das kann Spaß machen und ist natürlich auch schön, denn da zeigt ja jemand Interesse an dem Thema. Da gibt es ja aber auch ein anderes Stimmchen, welches leise flüstert: „Ich bin doch nicht nur meine Behinderung.“ Es wäre doch auch schön bezüglich eines anderen Merkmals angesprochen zu werden.
Und hier bietet uns das Internet eine Chance. Man kann die eigene Behinderung hinten an stellen und das zeigen, was einem an sich selbst deutlich wichtiger ist. Stellt euch selbst einmal die Frage: Wenn ihr euch selbst einmal beschreiben sollt, was sind die ersten drei Wörter die euch einfallen? Und jetzt denkt noch einmal weiter. An welcher Stelle würdet ihr eure Behinderung nennen? Ist sie unter den Top 10 eurer beschreibenden Worte?
Das heißt nicht, dass diese einem peinlich ist. Es heißt nicht, dass man nicht dazu steht. Es bedeutet viel mehr, dass es vielleicht für euch wichtigere Dinge gibt, die euer zukünftiger Partner bzw. eure Partnerin über euch wissen sollte. Ja und vielleicht spielen da noch einige weitere Punkte hinein. Es ist anstrengend immer wieder dieselben Fragen (immer und immer wieder) zu beantworten, sich erklären zu müssen. Auch wirkt eine Behinderung auf einige Menschen abschreckend und das nicht, weil sie prinzipiell keine Leute mit Behinderungen mögen, sondern zu wenig wissen oder falsche Dinge annehmen.
Andererseits ist es natürlich nicht gut, wenn ihr das Gefühl habt zu lügen. Wer von Vorneherein mit offenen Karten spielen möchte, sollte dies auch tun.
Fragen über Fragen
Was, wenn man es in das Profil schreibt? „Ich bin gerade auf Bumble unterwegs und bekomme eigentlich nur Fragen, wie: „Wie machst du das mit dem Schreiben?“ Es ist ja gut, wenn man sich dafür interessiert, aber sollte man nicht erst auf die inneren Werte der Person schauen?“ Dieser richtige und wichtige Beitrag kam von einer Dame aus unserer Community die sich dazu entschlossen hatte in ihr Profil zu schreiben, dass sie blind ist. Infolge dessen hat sich ein reger Austausch entwickelt. Eine andere Person antwortete: „Ich finde die Fragen prinzipiell ja auch nicht schlimm, aber es stört mich, wenn das dann die ersten sind. Ich mag diesen Gesprächseinstieg nicht, denn es kam mir so vor als würden sie nur einer Blinden ihre Fragen stellen wollen. Im Laufe des Gesprächs ist es wieder etwas anderes und okay.“
„Ehrlichkeit währt am Längsten und spätestens, wenn es zu einem Treffen kommen würde, würden sie es ja auch herausfinden.“ Diesem Satz stimmten wir alle zu, denn seien wir ehrlich, den Stock sollte man nicht verstecken, wenn man nicht auf der Nase landen mag und auch eine Sehbehinderung fällt auf, wenn man ausversehen an dem eigenen Date vorbeiläuft.
„Es kann schlecht laufen, wenn man es nicht gleich sagt. Ich habe es nicht in meinem Profil stehen und auch immer etwas Probleme damit, wann ich es sage. Damals habe ich ein halbes Jahr mit einer Person geschrieben bis ich ihm gesagt habe, dass ich blind bin. Daraufhin kamen bis auf die Frage ob hier jemand mitliest, kaum Fragen. Er hat mich dann auch noch vor dem ersten Treffen abserviert.“ Das sind aber Einzelschicksale. Eine Garantie für Verständnis gibt es nie. Man kann aus den verschiedensten Gründen gekorbt und geghostet werden, die Augen sind halt auch nur einer von vielen.
Dating ist wie ein Spiel, vielleicht vergleichbar mit Lotto. Der große Gewinn, auf den wartet man manchmal etwas länger. Es ist etwas Besonderes, denn eigentlich suchen viele von uns ja die eine Person unter 80 Millionen. Man benötigt also etwas Glück. Beim Lotto ist es aber auch so, dass man nicht bei jedem verlorenen oder kleinen Los traurig sein sollte. Im Gegenteil. Mit etwas Spaß und Hoffnung spielt es sich doch viel besser und je ergebnisoffener man ist, desto mehr freut man sich vielleicht über den Hauptgewinn.
Wie sage ich das jetzt
Wer von Anfang an mit offenen Karten spielen mag, der kann das klar und deutlich so schreiben, wie zum Beispiel: Ich bin Sophie, 26 Jahre alt und blind. Es gibt die Möglichkeit eine kleine Eigenschaftsliste zu schreiben (z.B. verrückt, blind, unternehmungslustig) oder ihr baut es durch eure Hobbies ein. Vielleicht spielt ihr ja gern Blindenfußball oder Showdown. So bindet man es dem Gegenüber nicht ganz so direkt auf die Nase, ist ehrlich, aber man zeigt auch, dass man nicht den ganzen Tag traurig in der Ecke sitzt, sondern ein ganz interessantes Freizeitleben hat.
„Wir sind alle mehr als unsere Blindheit. Es ist vielleicht ein wichtiger Teil, aber halt auch nur einer von vielen anderen.“ Dabei sind sich alle in der Community einig. Ein Herr der Runde trug bei, dass sich seine Chats immer nachdem er seine Blindheit ansprach, im Sande verliefen. Er warf die Frage auf, ob dass bei Männern auch noch einmal schwieriger ist. Diese Frage müssen wir leider so im Raum stehen lassen. Sie ist aber interessant, sodass man darüber einmal nachdenken kann.
Aber auch wir dürfen Unterhaltungen beenden. Ich habe einmal den Satz zu hören bekommen: „Jetzt haben auch noch die Behinderten Ansprüche.“ Meine Antwort war ja. Wir haben den Anspruch auf den Partner unserer Wahl, sowie eine nette Unterhaltung. Wenn unser Chat-Partner nur Fragen zur Behinderung stellt, uns das nervt und kein Wechsel der Themen möglich ist, dann gibt es da eine tolle Funktion: Match auflösen.
„Vielleicht ist unsere Blindheit aber auch ein ganz guter Filter.“ Wenn man es in sein Profil schreibt, filtert man natürlich automatisch die Leute raus, die ein Problem mit so etwas haben. Man merkt wer offen ist. Man möchte ja Zeit mit Leuten verbringen die damit kein Problem haben und es nicht nur als kleineres Übel sehen. Vielleicht siebt man aber auch zu viele aus. Die meisten Leute kennen keine blinden oder sehbehinderten Personen. Sie wissen vielleicht gar nicht ob es ein Problem für sie ist und geben einem aus purer Unsicherheit sich ins Fettnäpfchen zu setzen keine Chance.
„Ich möchte nichts geheim halten oder einer Person das Gefühl geben, ich hätte sie belogen. Wenn ich es reinschreiben würde, hätte ich jetzt kein Problem damit weniger Matches zu bekommen, denn ich will ja dann eh nur mit einer Person richtig schreiben. Es könnte aber auch sein, dass mich Leute nur genau deswegen anschreiben und das will ich nicht. Schwierig… aber ich schreibe es nicht rein. Es gibt halt so viel mehr was mich ausmacht.“ Manche Leute haben auch einfach ein falsches Bild von Sehbeeinträchtigungen. Man sieht es oft an den Fragen, denn sie handeln meist von Dingen die man doch wahrscheinlich nicht kann. Wenn man schreibt, kann man diese Vorstellungen berichtigen und die Leute eines Besseren belehren. Wir suchen ja keine Pfleger, sondern Menschen mit denen wir einfach gern Zeit verbringen.
Die von uns, die es nicht in ihrem Profil stehen haben und hatten, die haben es aber vor dem ersten Date angesprochen. Das kann man entweder schriftlich oder auch am Telefon. Pauschale Empfehlungen können wir euch hier nicht geben, aber ein paar mögliche Momente in denen ihr es einbauen könnt. Wie wäre es, wenn ihr es einfach durch die Küchenwaage sagen lasst. Sagt ihr müsst etwas kochen, macht die Waage an und erklärt, dass ihr diese halt braucht, da ihr nicht so gut sehen könnt. Das klappt auch mit anderen sprechenden Helferlein. Wem das zu komisch ist, der kann es aber auch etwas direkter machen. Wenn es dann um die Planung des Treffens geht, könnt ihr etwas rumdrucksen und lächelnd sagen: „Ich muss dir vielleicht vorher noch etwas beichten, nicht dass du überrascht bist.“ Macht dann eine kleine Pause, wartet die Reaktion ab und sagt es dann. Ihr könnt es auch umschreiben und sagen, dass die Person nach euch Ausschau halten muss, da ihr sie wahrscheinlich nicht finden werdet.
Falls ihr vor diesem Moment Angst habt, kann ich euch sagen, dass ich noch nie eine negative Reaktion bekommen habe. Naja doch. Oft wurde mir auf mein Geständnis lachend gesagt: „Das erklärt weshalb deine Bilder so unscharf sind.“ Probiert es mit einem Lächeln auf den Lippen rüberzubringen. Eventuell blasen wir sonst etwas zu einem Problem auf, wo keines ist.-
Ihr könnt es natürlich auch gar nicht sagen. Hier besteht aber die Chance, dass euer Date so geschockt vom Blindenstock oder Sonstigem ist, vielleicht auch nur weil er oder sie nicht damit gerechnet haben, dass ihr den Tag allein verbringt.
Alles kann, nichts muss
Vielleicht schenken wir unseren Behinderungen manchmal auch zu viel Relevanz. Es ist oft auch einfach eine Frage dessen, wie man sie verkauft. Wer entspannt damit umgeht und mit sich im reinen ist, der wirkt sympathischer. Probiert es aus!
Wie ihr es auch macht, beachtet, dass ihr euch wohl damit fühlt. Habt Spaß, denn man mag es kaum glauben, Freude spürt man auch übers Telefon. Wir alle umgeben uns doch am liebsten mit Menschen die uns ein Lachen ins Gesicht zaubern können.
(Artikel von Sophie Heinicke aus der April-Brücke 2024)