Was kommt auf die Nase? OrCam, Envision oder Meta

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Was kommt auf die Nase? OrCam, Envision oder Meta

Beitrag von Sophie Heinicke » 24.06.2025, 15:14

Als stark sehbehinderter Mensch hat man so einige Superkräfte: Wir können Stimmen an den Schritten erkennen, finden den Kaffee ohne hinzuschauen und wissen, wann der Bus da ist, ohne auf die Anzeige zu starren. Aber ehrlich: Manchmal wäre es doch schön, wenn Technik uns einfach ein bisschen entlasten würde.
Und genau da kommen sie ins Spiel – smarte Brillen! Nein, keine Zukunftsmusik mehr. Die Dinger gibt’s wirklich. Und ich stehe nun vor der Frage: Welche soll’s denn sein?
Im Rennen sind bei mir:
1. die OrCam MyEye,
2. die Envision Glasses,
3. und – ganz neu auf dem Spielfeld – die Meta AI Brille von Ray-Ban.

Ich habe mich mal durchgetestet, durchgelesen, durchgefragt – und hier kommt mein ehrlicher, unterhaltsamer Erfahrungsbericht. Von jemandem, der nicht alles sieht, aber ganz genau hinschaut.

OrCam MyEye – zuverlässig, diskret und offlinefähig
Die OrCam MyEye 2.0 ist wie ein stiller Begleiter – unauffällig, klein, aber mit großer Wirkung. Sie ist kein Brillenmodell an sich, sondern ein kleines Gerät, das man magnetisch an fast jede Brille klipsen kann. Es sitzt seitlich am Brillenbügel und hat eine Kamera sowie einen Lautsprecher eingebaut.

Was kann die OrCam?
• Gedruckte und digitale Texte vorlesen, z. B. von Büchern, Schildern, Menükarten.
• Gesichter erkennen und mit Namen ansagen (vorher gespeichert).
• Barcodes und Produkte erkennen, z. B. im Supermarkt.
• Geldscheine benennen.
• Farben unterscheiden.
• Ohne Internetverbindung arbeiten – alles läuft lokal auf dem Gerät.

Der Clou: Alles geschieht durch einfache Gesten (z. B. zeigen auf einen Text) oder per Knopfdruck – superpraktisch.

Kostenpunkt: Rund 4.000 bis 6.000 Euro.
Wichtig: Die OrCam kann in vielen Fällen von der Krankenkasse übernommen werden – je nach Diagnose, Bedarf und ärztlicher Begründung.

Envision Glasses – Hightech für den Alltag
Die Envision Glasses sind für mich sowas wie die „smarte Brille 2.0“. Entwickelt von Anfang an für blinde und sehbehinderte Menschen, basieren sie auf Google Glass-Hardware – also sehr leicht und futuristisch im Design.

Was kann die Envision?
• Gedruckte Texte vorlesen – sogar handschriftliche Notizen (z. B. Postkarten, Einkaufszettel).
• Gesichter erkennen (mit vorherigem Einspeichern).
• Gegenstände erkennen (z. B. Stuhl, Tasse, Ampel).
• Farben ansagen.
• Umgebung beschreiben – was befindet sich im Sichtfeld.
• QR-Codes lesen.
• Barcodes und Produkte erkennen.
• Möglichkeit der Live-Hilfe durch sehende Bekannte.

Die Bedienung erfolgt per Sprachsteuerung oder Touchfeld, und die Brille spricht mit dir über einen kleinen Lautsprecher. Der Ton ist so gerichtet, dass nur du ihn hörst – sehr angenehm in der Öffentlichkeit.

Kostenpunkt: ca. 1.900 bis 3.500 Euro, je nach Paket.
Und das Beste: Auch die Envision Glasses können über die Krankenkasse (z. B. als Hilfsmittel bei Sehbehinderung) beantragt und finanziert werden. Wichtig ist ein gutes Attest vom Augenarzt oder eine Empfehlung durch eine Fachstelle.

Meta AI Brille – futuristisch, stylisch, aber nicht (nur) für Sehbehinderte gemacht
Und dann kam sie: die Meta AI Brille, entworfen von Ray-Ban, befeuert von künstlicher Intelligenz, direkt aus dem Silicon Valley. Auf den ersten Blick: einfach eine coole Sonnenbrille. Aber drinnen steckt jede Menge Technik.

Was kann die Meta AI Brille?
• Fotos machen – mit automatischer Bildbeschreibung.
• Live-Objekterkennung (z. B. „Was ist vor mir?“).
• Texterkennung und Vorlesen (z. B. Schilder, Verpackungen).
• Farberkennung.
• Sprachassistent (Meta AI): Fragen stellen („Wie spät ist es?“, „Was sehe ich?“), Befehle geben.
• Live-Übersetzung von Sprachen.
• Integration von „Be My Eyes“, um direkt sehende Helfer*innen anzurufen.
• Musik hören, telefonieren, Sprachnachrichten senden.

Der Clou: Die Bedienung läuft über Sprachsteuerung („Hey Meta“) oder ein kleines Touchfeld. Und: Die Brille sieht einfach richtig gut aus – wie eine klassische Ray-Ban.
ABER:
• Du brauchst dauerhaft eine Internetverbindung – sonst funktioniert die KI nicht.
• Die Brille ist nicht speziell für sehbehinderte Menschen entwickelt – sie ist eher ein Lifestyle-Produkt.
• Die Sprachsteuerung funktioniert noch nicht auf Deutsch.
• Datenschutz? Schwierig. Es ist Meta. Deine Daten landen in der Cloud.

Kostenpunkt: ca. 350 bis 400 Euro.
Wichtig: Keine Hilfsmittelzulassung, also keine Kostenübernahme durch Krankenkassen.

Fazit: Welche Brille passt zu wem?
Die OrCam ist die richtige Wahl, wenn du eine stabile, diskrete und offlinefähige Brille brauchst, die sofort funktioniert – auch ohne große Updates oder Internet.
Die Envision Glasses sind das aktuell innovativste Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Menschen – stark in der Funktion, gut durchdacht, zukunftssicher.
Die Meta AI Brille ist ein cooles Spielzeug mit Potenzial, aber noch nicht alltagstauglich für uns – vor allem wegen Datenschutz, Onlinepflicht und fehlender Spezialisierung auf Barrierefreiheit.

Und was mache ich jetzt? Ganz ehrlich? Ich lasse mir jetzt erstmal einen Termin bei meiner Beratungsstelle geben und versuche, die Envision und die OrCam sowie irgendwie die Meta-Glasses zu testen. Denn nur im echten Alltag merkt man, ob eine Brille wirklich zu einem passt – oder ob sie eher in die Schublade gehört. Für welche ihr euch entscheidet, hängt nämlich auch stark davon ab, was ihr mit ihr tun wollt.

Wenn du auch überlegst, dir eine smarte Brille zuzulegen, denk dran: Technik ist kein Zauberstab – aber sie kann Türen öffnen, die vorher verschlossen waren.

Eindrücke von der Ray-Ban Meta Brille

Beitrag von Robbie Sandberg Site Admin » 24.06.2025, 16:20

Ich bin von der Ray-Ban Meta Brille ziemlich angetan.
Sophie meinte ja, dass sie noch nicht alltagstauglich ist. Nun das hängt davon ab, was man damit machen möchte.
Für mich ist sie in erster Linie das beste Headset, dass ich bisher hatte. Knochenleitkopfhörer haben bei mir immer schlecht gesessen und nicht gut funktioniert, weil sie nicht richtig auf dem Knochen saßen.
Die Meta Brille hat ebenfalls eine Knochenleitfunktion, aber hier liegen die Lautsprecher direkt auf dem Knochen, weil sie in den Bügeln verbaut sind und sich direkt über den Ohren befinden. Dadurch ergibt sich ein viel satterer und lauterer Sound. Ich liebe es die Brille aufzuhaben, wenn ich mit BlindSquare oder Google Maps navigiere. Ich habe beide Hände frei und verstehe alle Hinweise.

Außerdem habe ich meine Brille mit Be My Eyes verknüpft, so dass ich wiederum beide Hände frei habe und die sehende Person durch die Brillenkameras gucken kann. Auf diese Weise hat mich jemand durch einen Filamentwechsel an meinem 3D-Drucker geführt, wozu man beide Hände braucht.
Auch auf einer Straßensituation könnte man das nutzen. Wenn man z,B. vor einer Baustelle steht oder nicht weiß, wo der Eingang zu einem Haus ist, sagt man, „Hay Meta, call a volunteer with Be My Eyes“ und bekommt Hilfe, ohne das iPhone in die Hand nehmen zu müssen.

Überhaupt nehme ich mein iPhone nicht gerne aus der Tasche, wenn ich unterwegs bin. Ich habe schon öfter von Blinden gehört, denen das iPhone aus der Hand geklaut wurde.
Neulich war ich mit einem Freund am Hauptbahnhof verabredet. Da ich ihn nicht fand, wollte ich ihn anrufen. Glücklicherweise lässt sich sein Name gut auf Englisch aussprechen und so konnte ich ihn mit der Brille anrufen und das iPhone in der Tasche lassen.

Für meinen Alltagsbedarf ist das schon ziemlich gut. Die Internetabhängigkeit ist ein Schwachpunkt, aber als Headset zum Navigieren oder zum Hören von Hörbüchern funktioniert sie auch ohne.

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Re: Was kommt auf die Nase? OrCam, Envision oder Meta

Beitrag von Lukileila » 11.08.2025, 10:06

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